Im Norden von Chile
Von Hermann Luyken



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Nach langem Überlegen entschieden wir uns diesmal für Chile als Reiseziel. Da wir schon vor einigen Jahren den Süden bereist hatten, ging es diesmal in den Norden, in die Wüste.

Im Gegensatz zum sehr feuchten Süden besteht der Norden von Chile zum Teil aus der trockensten Wüste der Welt, die Atacama. Einerseits bilden die Anden einen Regenschatten für Ostwinde, andererseits verhindert der kalte Humboldtstrom aus der Antarktis die Bildung von Regenwolken. In manchen Gegenden dieser Wüste wurde seit über 400 Jahren kein Niederschlag beobachtet. Wasser gibt es nur entlang der Täler, wo die Flüsse fließen, die aus schmelzendem Schnee der Anden entstehen. Trotz der Trockenheit ist das Klima dank des Humboldstromes frisch.

Der Badeort Pichidangui In der Hauptstadt Santiago angekommen, wurden wir mit dem vorgebuchten Mietwagen im Flughafen abgeholt. Dann ging es gleich weiter, zunächst in den Badeort Pichidangui, 220 km nördlich von Santiago. Dort quartierten wir uns in eine "Cabaña" (Hütte) ein, um uns von den Strapazen des langen Fluges zu erholen. Zu unserer Überraschung war die Besitzerin eine Deutsche aus Frankfurt. Am nächsten Tag ging es dann weiter Richtung Norden. Unterwegs nahmen wir einen Mann und seine Tochter mit, die nach La Serena fahren wollten. Sie erzählten uns, dass die Wüste blühen würde.

Die blühende Wüste Und tatsächlich. Nach der Stadt Vallenar konnten wir eine Art lilafarbenen Teppich entdecken. Er bestand aus abertausenden von kleinen Blüten, alle der selben Farbe. Später konnten wir auch gelbe Teppiche sehen. Etwa alle 5 Jahre führt das unter "El Niño" bekannte Phänomen (ein Temperaturanstieg der Meeresoberfläche) dazu, dass es in der Wüste regnet. Und dann gibt es dieses Naturspektakel.

Kurz nach Caldera besuchten wir ein Naturreservat mit merkwürdigem Kugelgranit. Im Gestein eingeschlossen waren kleine Kugeln, so dass die Felsen aussahen, als hätten sie Pocken. Dort sprachen wir Fischer an, die uns etwas über die anstehenden Wahlen erzählten. Sie tauchen, um zu fischen. Ich merkte, welches Glück ich habe, dass ich meinen Lebensunterhalt nicht durch Fischen im kalten Meer erwirtschaften muss.

Blühende Wüste bei Chañaral Nun erreichten wir die Kleinstadt Chañaral. Später wurde uns erzählt, dass es nachts schwierig ist, in dieser Gegend zu fahren. Die kalte Meeresströmung verursacht einen sehr dichten Nebel. Überhaupt war es immer an der Küste nebelig. Erst nachmittags kam die Sonne durch. In 1000 Metern höhe bildet sich ein Nebel, der die Berggipfeln bedeckt und "cachamanca" genannt wird.

Bei Chañaral besuchten wir den sehr schönen Nationalpark Pan de Azúcar. Wir fuhren auf einer Schotterpiste durch den Park. Zunächst gab es noch etwas Vegetation, unter anderem sehr schöne Kakteen. Weiter landeinwärts wurde es immer kärger bis schließlich keine Pflanzen mehr vorhanden waren. Die kahlen Berge hatten unglaubliche Farben je nach Mineralien, von gelb über Grün bis Rot.

Nach dem Nationalpark waren es 400 km Einöde bis zur Stadt Antofagasta. Die Wüste wie man sie sich trockener nicht vorstellen kann. Hier wächst einfach nichts. Antofagasta wollten wir uns auf der Rückreise anschauen, so dass es am nächsten Tag gleich weiter nach Iquique ging. Iquique verdankt sein Wachstum dem Chile-Salpeter, das in der Nähe abgebaut wurde. Wohl weil es kaum regnet sind in der umliegenden Wüste zahlreiche Vorkommen an dem Salz. Vor der Entwicklung der Ammoniak-Synthese durch die Deutschen Haber und Bosch wurde das Salpeter als Düngemittel und zur Herstellung von Sprengstoff verwendet. So manches Vermögen entstand und damit oppulente Villas. Wasser musste (und muss) über viele hunderte Kilometer lange Leitungen aus den Bergen gefördert werden. Heute lebt Iquique vom Export von Fischmehl, welches z.B. zur Fütterung von Lachs verwendet wird.

San Marcos Kirche in Arica Auf dem weiteren Weg nach Arica zeigte sich die Wüste nach wie vor karg. Die Berge steigen direkt an der Küste auf über 1000 m Höhe. Um Täler zu überqueren gibt es Auf- and Abfahrten mit 15 oder 20 km mit sehr starken Steigungen. Viele LKW verunglücken und man findet oft kleine Denkmäler an den Unglücksorten.

In Arica gibt es eine Kirche, die von Gustave Eiffel, dem Designer vom Turm in Paris, entworfen wurde und aus Eisen gebaut ist. Eiffel war zwischen 1872 und 1874 in Südamerika tätig. Arica war damals ein Teil von Peru/Bolivien. Nach dem Salpeterkrieg (1879-1884) ging das Territorium an Chile über.

Lauca Nationalpark und der Vulkan Parinacota Nach Arica ging es landeinwärts und hoch in die Anden zum Dorf Putre und dem Nationalpark Lauca nahe der bolivianischen Grenze. Lauca liegt auf einem Plateau in 4500 m Höhe, der Vulkan Parinacota ist 6348 m hoch un spiegelt sich im Chungará-See. Dort kann man Vicuñas, eine dem Lama verwandten Kameelart, beobachten. Vicuñas waren stark gefährdet und es ist den Anstrengungen der chilensichen Regierung zu verdanken, dass sich die Art inzwischen erholen konnte. Auch gibt es dort Vizcachas, ein Verwandter der Chinchilla. Mit zunehmender Höhe steigt die Wahrscheinlichkeit von Regen. Von Arica kommend ist zunächst alles vollkommen pflanzenlos. Zwischen 2500 und 3000 m begegnet man dem Kandelaber Kaktus, einer Kakteenart, die Ihren Wasserbedarf aus dem Nebel bezieht, der sich in dieser Zone aus Meeresfeuchtigkeit bildet. In Lauca ist es bereits so feucht, dass verschiedene Pflanzenarten wachsen und sogar Säugetiere leben können. Auf dieser Höhe fiel uns jede Anstrengung besonders schwer. Schon ein kleiner Hügel schien unüberwindbar und es blies ein frischer Wind. Zu dieser Jahreszeit war es allerdings tagsüber frostfrei.

Kirche in Parinacota Zwischen Lauca und Putre liegt ein kleines, entzückendes Dörfchen mit einer wunderschönen Kirche. In Parinacota leben Ayamara-Indianer. Die Bevölkerung in Chile besteht hauptsächlich aus Weißen europäischer Abstammung. Die meisten sind Nachkommen der Spanier. Es gibt aber auch viele Deutsche. Es ist selten, Indianer anzutreffen. Da dieses Gebiet aber früher zu Bolivien gehörte, ist der Anteil an Indios wesentlich höher.

Auf dem Rückweg nach Arica hielten wir in einem weiteren malerischen Aymara-Dorf an, Socoroma. Dort bescihtigten wir auch die Kirche. Der Friedhof war voll mit bunten Blumen aus Papier. Es war Sonntag morgens. Leider waren die meisten Männer betrunken, obwohl es noch nicht einmal Mittag war.

Während der 100 km langen Rückfahrt nach Arica war es kaum nötig, Gas zu geben. Durch den enormen Höhenunterschied rollte der Wagen wie auf einer Achterbahn.

Erdbebentrümmer in Tarapacá Zurück in Arica besuchten wir das archäologische Museum in Azapa. Dort sind 7000 Jahre alte Mumien ausgestellt, die ältesten der Welt. Sie stammen aus der Chinchorro-Kultur. Dann ging es weiter nach Süden. Ein Abstecher von der Carretera Panamericana führte uns nach Tarapacá. Das Dorf befindet sich in Trümmern seit dem Erdbeben im Juni 2005. Aber das haben wir nicht gewusst. Man erzählte uns, es hätte keine Opfer gegeben.

Auf der weiteren Rückreise nach Süden hielten wir in Humberstone, nahe Iquique, an. Humberstone ist eine der vielen ehemaligen Anlagen zur Gewinnung von Chile-Salpeter (Natriumnitrat). Bergwerk und Stadt zugleich, besichtigten wir neben den verrosteten Gewinnungsanlagen auch die Siedlung, komplett mit Theater, Schule, Markt, Hotel und Wohnungen der Arbeiter. Besonders interessant war das Schwimmbecken, eine riesige Badewanne aus Stahl, mitten in der Wüste, die aus den Resten eines Schiffswracks hergestellt wurde. Dann ging es weiter nach Pica und Matilla, wo es Thermalquellen gibt. Zu unserem Entsetzen mussten wir feststellen, dass die Kirche in Matilla als Folge des Erdbebens zwei Monate später im September eingestürzt war. Zum Glück gab es keine Verletzte.

In Cerros Pintados konnten wir die Geoglyphen bewundern. Geoglyphen gibt es überall im Norden. Es handelt sich um Figuren, die durch Einritzen oder Steineverlegen an den Bergen geschaffen wurden. Da es nicht regnet, blieben sie von der Witterung verschont und überleben bis heute noch.

An der Grenze zu Bolivien Die Weiterreise führte uns nach San Pedro de Atacama, einem touristisch ziemlich überlaufenen Ort, das aber schön hergerichtet ist. Hier blieben wir zwei Tage. Am ersten Tag machten wir eine Autorundfahrt bis zur Grenze nach Argentinien am Paso Jama. Zunächst ging es auf die Hochebene mit einem wunderschönen Ausblick auf den Vulkan Licancabur. Entlang der Grenze zu Bolivien genossen wir einen unglaublichen Blick auf die Laguna Verde und die dahinter stehenden mehrfarbigen Berge. Dann erreichten wir die Reserva Nacional Los Flamencos, wo wir neben Flamingos auch Enten, Gänse und Vicuñas erspähen konnten. Der Wind war frisch und die Luft klar. Anschließend erreichten wir eine weitere Lagune der Reserve mit herrlichen hell- und dunkelblauer Farbe neben weißen Salzablagerungen.

Geysire in El Tatío Am nächsten Tag ging es schon um 4 Uhr morgens los, und zwar zu den Geysiren von El Tatío. Diese muss man nämlich vor der Dämmerung erreichen, da in der Kälte mehr Dampfschwaden zu sehen sind. Kalt war es um diese Zeit auf einer Höhe von 4500 m allerdings, ca -8°C. Meine Zehen waren dumpf vor Kälte aber der Anblick unübertrefflich. Im Boden sprudelte kochendes Wasser, das in dieser Höher nur 85 °C heiss ist. Auf der Rückreise nach San Pedro hielten wir im Dörfchen Machuca an. Dessen kleine Kirche ist sehr malerisch. Wir hatten das Glück, dass sie offen war und konnten das Innere besichtigen.

Kupfermine von Chuquicamata Nach San Pedro ging es zurück über Calama nach Chuquicamata, wo wir die größte Kupfermine der Welt im Tagebau besichtigten. Die Mine hat eine tiefe von 875 m. Chile besitzt und fördert ca. 18 % des Kupfers auf der Welt. Die Kupfervorkommen wurden unter der Regierung von Salvador Allende von amerikanischen Firmen enteeignet. Die Gewinne werden der heutigen Regierung zugeführt und kommen allen Chilenen zugute.

Nachdem wir in Coquimbo bei La Serena angekommen waren, machten wir eine Tagestour durch das Elqui-Tal. Der Elqui ist ein kleiner Fluss, der sich durch die trockenen Berge durchschlängelt. Im Tal wird Wein angebaut. Hier ist die Heimat vom berühmten Pisco (eines der Orte heisst Pisco), ein Branntwein, der am besten mit Limettensaft getrunken wird. Der Kontrast zwischen den trockenen Bergen und dem grünen Tal könnte nicht krasser sein.

Cueca-Tanz in San Felipe Gegen Ende der Reise erlebten wir noch eine Aufführung vom chilenischen Nationaltanz, die Cueca. In San Felipe saßen in der Plaza und lauschten den Ausführungen einer Kundgebung gegen Gewalt an Frauen zu. Am Ende der Veranstaltung wurde der Tanz aufgeführt.

Chile ist ein Land landschaftlicher Kontraste. Von der trockensten Wüste der Welt im Norden bis zu den Regenwäldern im Süden sind die Leute durchweg gastfreundlich. Es herrscht Aufbruchstimmung. Und es gibt viel unberührte Natur. Wir wünschen diesem Land, dass es die hochgesteckten Ziele erreicht und in sozialem Frieden leben kann.

Hermann Luyken
Ludwigshafen, 10.12.2005



Kontakt: Hermann Luyken
Ludwigshafen

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