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Max Kämper und seine Vermessung der Mammoth Cave im Jahre 1908
von Bernd Kliebhan
"Die Hoehle" 4/97 , Wien
Summary
In 1908 the german engineer Max Kämper mapped 35 miles of Mammoth Cave
/ KY. The "Kämper map", forgotten in the archives for half a century,
is nowadays considered as a masterpiece of underground cartography.
Little was known about Max Kämper despite several attempts of american
speleo-historians. Most traces were wiped out in two world wars.
Nevertheless the author could find out details of the biography of Max
Kämper in german archives. Max Kämper (1879-1916) was the son of the
prussian general Hugo Kämper. After studying engineering in Berlin he
spent 1 1/2 years in the USA to learn the english language and to study
american manufacturing methods. For until now unknown reasons he
travelled in February 1908 to Mammoth Cave, where he spent 8 months. In
December 1908 he returned to Germany. Max Kämper was killed in WW1 in
northern France.
"Der Name Max Kämper ist fortan mit der Mammoth Cave, der größten Höhle
von Kentucky, untrennbar verbunden" schrieb der amerikanische
Höhlenforscher Horace C. Hovey, nachdem er 1908 in der schon damals
längsten Höhle der Welt einen jungen Berliner kennengelernt hatte, der
ihm offenbar sehr imponierte (HOVEY 1909). Max Kämper hatte in
achtmonatiger Arbeit den ersten exakten Höhlenplan des gewaltigen
Höhlenlabyrinths erstellt - eine präzise Aufnahme von 58 Kilometern
Höhlengängen: gewaltige Hallen, Schächte und Schlote, endlose
Schlufstrecken, Seen und Flußläufe.
Der Plan - er ist über einen Meter lang - stellt die verschiedenen
Etagen der Höhle in unterschiedlichen Farben dar. In dem Gewirr von
sich überlagernden Strichen wimmelt es von Namen: jeder Gang, jeder
Schacht, jede irgendwie auffällige Stelle wird mit ihrer traditionell
gebräuchlichen oder ihr von Max Kämper verliehenen Bezeichnung
identifiziert.
Von amerikanischen Höhlenforschern wird dieser Plan als ein Meilenstein
in der Geschichte der unterirdischen Kartographie angesehen. Als die
Cave Research Foundation in den 60er Jahren mit einer eigenen
Vermessung der Höhlen im Mammoth Cave National Park begannen, diente
die Kämper-Karte als Grundlage (SUTTON 1990, S. 4). Da die
Originalkarte, die sich im Archiv des Nationalparks gefindet, bereits
sehr vergilbt und brüchig war, wurde sie vom CRF-Mitglied Diana O.
Daunt 1981 kopiert.
Fast wäre die Kämper-Karte gänzlich in Vergessenheit geraten, denn als
1956 Ray Nelson eine eigene Vermessung der Höhle vornahm, war ihm die
Kämper-Karte offensichtlich unbekannt. Die Zeichnung seines Vorgängers
ruhte unbemerkt in den Archiven, erst 50 Jahre nach ihrer Entstehung
wurde sie wiedergefunden.
Tatsächlich war die Kämper-Karte auch nicht für die Öffentlichkeit
bestimmt - im Gegenteil. Als Max Kämper seinen Plan der Mammoth Cave
aufnahm, bahnte sich in der Region bereits der "Höhlenkrieg von
Kentucky" an (der in den 20er Jahren seinen Höhepunkt erreichte und
letztlich im Tod von Floyd Collins mündete). Die Mammoth Cave mit ihrem
bereits beträchtlichen Besucherzustrom und dem gut frequentierten Hotel
am Höhleneingang war zu dieser Zeit ein erfolgreiches
Wirtschaftsunternehmen, das von den Anliegern eifersüchtig beäugt
wurde. Immer wieder wurde der Verdacht geäussert, daß sich die Höhle
bis unter die Nachbargrundstücke erstrecken könnte und deren Eigentümer
verlangten eine Beteiligung an den Einnahmen (BRUCKER & WATSON
1976, S. 274-276).
Den Eigentümern der Höhle lag also viel daran, keine genaue Topographie
in Umlauf zu bringen. Entsprechend mißtrauisch reagierte die lokale
Höhlen-Verwaltung, als der deutsche Besucher Max Kämper seinen
ursprünglich nur für wenige Tage geplanten Aufenthalt immer länger
ausdehnte, um in immer tagfernere Regionen vorzustoßen - und zudem
seine Entdeckungen auch noch kartographisch festhielt!
Nach einigem Hin und Her gab schließlich der Treuhänder der
Höhleneigentümer, der Washingtoner Richter Albert Covington Janin,
seine Zustimmung und gestattete dem Deutschen "nicht nur nach
Herzenslust zu forschen, sondern auch das zu tun, was viele schon lang
für nötig gehalten hatten, nämlich eine komplette Vermessung der Höhle
aufzunehmen" (HOVEY 1909). Offensichtlich ging es Judge Janin darum,
eine genaue Karte der Höhle in die Hand zu bekommen, um die
juristischen Risiken wegen eventueller Überschreitungen der
Grundstücksgrenzen abschätzen zu können. Doch dabei durften natürlich
keine Details der Vermessung an die Öffentlichkeit dringen.
In der so überaus präzisen Kämper-Karte fehlt deshalb eine
Maßstabsangabe und ein Nord-Pfeil. Maßstab und Einnordung existieren
natürlich - allerdings in verschlüsselter und versteckter Form. In
einem Schreiben an Richter Janins lieferte Max Kämper im Dezember 1908
die entscheidenden Hinweise zur Dechiffrierung: ein einfaches, aber
effizientes Verfahren.
Dieser Max Kämper, dessen unglaublicher Plan bis heute als Kopie an die
Besucher der Mammoth Cave verkauft wird und der Generationen von
Forschern als Grundlage diente ist für die amerikanische
Höhlenforschung eine geradezu legendäre Figur, über die allerdings
bislang herzlich wenig bekannt war. Eine der weniger Quellen ist ein
1909 in der Zeitschrift "Scientific American" erschienener Aufsatz von
Horace C. Hovey (HOVEY 1909). Darin beschreibt er Max Kämper als
"ungefähr 23 Jahre alt, ein bewundernswerter Zeichner, ein furchtloser
und fähiger Forscher, bereit, jede Frage zu beantworten, die ihm
gestellt wurde." Und weiter: "Er erklärte mir frei heraus, daß die
Dimensionen der Höhle zu groß seien, als daß irgend eine andere Methode
als das Abschreiten in Frage käme, wofür er bei seinem Militärdienst
geschult worden sei. Er sagte auch, daß er keine barometrischen
Beobachtungen vorgenommen habe. Er benutzte einen guten
Vermessungskompaß, um Visierlinien in den Hauptgängen zu legen und
verwendete in den niedrigeren Passagen und Kriechstrecken auf einen
Taschenkompaß. Obwohl er Edward Bischop immer als Führer dabei hatte
stützte er sich zur Orientierung auf seine eigenen Vermessungsdaten ...
In jedem Fall verfolgte er den jeweiligen Gang bis zu seinem äußersten
Ende, wobei er seine Skizzen beim Vordringen vervollständigte ... Es
war mein ernster Wunsch, daß diese Karte, die Mr. Kaemper so geduldig
erstellte, der Welt gegeben werden sollte. Doch das Management wies
dies aus Sicherheitsgründen zum jetzigen Zeitpunkt freundlich zurück."
Wer war dieser Max Kämper? Seit vielen Jahren versuchen die
amerikanischen Speläo-Historiker herauszufinden, was es mit dieser
mysteriösen Figur auf sich hat, mit diesem "deutschen Ingenieur", der
1908 einen bewundernswerten Plan hinterließ und dann auf
Nimmer-Wiedersehen verschwand. Mehrere Versuche der amerikanischen
Kollegen, über deutsche Höhlenforscher und Archive Informationen zur
Person von Max Kämper zu finden, scheiterten. Zwei Weltkriege hatten
alle Spuren gründlich verwischt. Im letzten Jahr startete Richard
Watson von der Cave Research Foundation erneut einen Aufruf über den
"Cavers Digest" im Internet ("Let´s find out who Max E. Kaemper was"),
der auch in den Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und
Karstforscher verbreitet wurde.
Ein Besuch der Mammoth Cave im Sommer 1996 veranlasste den Autor, sich
mit dem Thema zu beschäftigen und in deutschen Archiven und
Bibliotheken auf die Suche zu gehen. In allen einschlägigen
Bibliographien fand sich kein Hinweis auf den Gesuchten. Die einzige
konkrete Spur war ein Eintrag im Berliner Adressbuch von 1911: Max
Kämper, Ingenieur, Südende, Hermannstr. 11 II. Allerdings stellte sich
schnell heraus, daß die Unterlagen des zuständigen Einwohnermeldeamtes
im Krieg verloren gegangen waren und hier keine näheren Informationen
zu bekommen waren.
Dennoch gelang es mit der sehr engagierten Unterstützung von Berliner
Archivaren und BibliothekarInnen, die Lebensdaten von Max Kämper zu
ermitteln. Es konnte sogar Kontakt mit seinem in Süddeutschland
lebendem Sohn Hans Kämper aufgenommen werden. Familie Kämper, die bis
dahin nur spärliche Informationen über die Forschungen ihres Vaters und
Großvaters hatte, stellte bereitwillig weitere Dokumente und Fotos zur
Verfügung, so daß nunmehr ein recht detailliertes Bild der Biographie
und insbesondere der Amerika-Reise von Max Kämper gezeichnet werden
kann.
Max Eduard Kämper kommt am 16.12.1879 in Jüterbog als Sohn des
preussischen Offiziers Hugo Kämper und der Fabrikantentochter Caroline,
geb. Luyken auf die Welt. 1899 besteht er in Berlin das Abitur und
beginnt ein Maschinenbaustudium an der Technischen Hochschule
Charlottenburg, das er 1905 mit dem Diplom-Examen abschliesst. Max ist
vielseitig talentiert: als Mitglied der Akademischen Vereinigung MOTIV
interessiert er sich für Musik und Theater, spielt selbst Geige und
fotographiert gern und viel.
Beruflich bietet sich für Max Kämper eine klare Perspektive, nämlich
die Mitarbeit in der Firma seines Cousins Heinrich, der in Berlin 1901
die "Heinrich Kämper Motorenfabrik" gegründet hat. Zuvor soll Max aber
noch die Welt kennenlernen. Als "Belohnung" für das bestandene Examen
schenken ihm seine Eltern eine Amerika-Reise, bei der er Englisch
lernen und sich in amerikanischen Industriebetrieben umsehen soll.
Am 16. Mai 1907 trifft Max Kämper mit dem Passagierschiff "Friedrich
der Große" in New York ein, wo er bei der Firma Lidgerwood Hoisting
Engines in Brooklyn die Arbeit aufnimmt. New York schockiert und
fasziniert den "Gastarbeiter" aus Deutschland gleichermassen. Er
besichtigt und fotographiert alle Sehenswürdigkeiten, besucht Konzerte,
Theater und Museen und macht Ausflüge in die nähere und weitere
Umgebung.
Im Februar 1908 bricht er auf zu einer Besichtigungsreise durch die
Stahlreviere in Pennsylvania, wo er eine Reihe von Fabriken besucht -
zum Teil auf Empfehlung seines Onkels Heinrich Lueg, einer der
"Stahlbarone" im Ruhrgebiet.
Völlig unklar ist bislang, was ihn dann veranlaßt, Ende Februar in das
Höhlengebiet von Kentucky weiterzureisen. Es gibt keinen Hinweis, daß
diese Reise länger geplant war. Andererseits war die Gegend damals
derart abgelegen und schwer erreichbar, daß ein spontaner
Reise-Entschluss eher unwahrscheinlich ist.
Er erreicht Mammoth Cave am 24. Februar 1908 und besichtigt bereits am
nächsten Tag mit einem Führer den "touristischen" Teil der Höhle auf
der sogenannten "Short Route". 2 Tage später folgt die "Long Route".
Die gewaltige Höhle zieht ihn offenbar sofort in ihren Bann: von nun an
verbringt Max Kämper fast jeden Tag in den Labyrinthen der Mammoth Cave
und stößt mit seinem Führer Ed Bishop in immer tagfernere Regionen vor.
An mehrerer Stellen hinterlassen sie ihre Inschriften (Abb. 3). Zur
Orientierung dient ihnen die "Hovey Map", eine grobe Skizze der
bekannten Gänge. Am 6. März erkunden sie - viele Stunden vom Eingang
entfernt - einen tropfsteingeschmückten Seitengang, den Max Kämper nach
seiner Cousine "Gertas Grotte" nennt. Dieser Höhlenteil ist auf der
"Hovey Map" nicht dargestellt, also entschließt sich Max Kämper zur
Vermessung. Sehr schnell wird ihm dabei klar, wie unzureichend und
fehlerhaft die "Hovey Map" ist und er nimmt die Vermessung weiterer
Höhlenteile in Angriff.
Die Forschungen zehrt rasch an der ohnehin nicht üppig gefüllten
Reisekasse, da die Höhlenverwaltung Eintrittsgelder kassiert und auch
die Führer - zumeist Ed Bischop - für ihre Mitarbeit bezahlt werden
wollen. Hinzu kommen Probleme mit der immer mißtrauischer werdenden
Höhlen-Verwaltung. Mitte April 1908 kann Max Kämper jedoch eine
Abmachung mit Judge Janin treffen, eine "Karte zu zeichnen gegen freie
Verpflegung und frei Caving" .
Auszug aus Max Kämpers Tagebuch
Fortan hat er freie Hand. Immer weiter dringen er und Ed Bischop in
unerforschte Regionen vor. Ihre wohl spektakulärste Entdeckung gelingt
ihnen am 28. April 1908: am Endversturz des Hauptgangs der Mammoth Cave
("Ultima Thule") zwängt sich Max Kämper durch labiles Blockwerk und
betritt einen riesigen Saal, den er "Kaemper´s Hall" nennt. Den
anschliessenden Raum tauft er nach seiner Schwester "Elisabeth´s Dome"
und die abschliessende Halle mit recht üppigem Tropfsteinschmuck zu
Ehren der Höhlenbesitzerin Violet Blair Janin "Violet City"(Abb. 4).
Der Höhlenteil ist heute einer der Höhepunkte der "Lantern Tour" durch
die Mammoth Cave.
Violet City / Foto: Max Kämper 1908
In den nächsten Monaten organisiert und leitet er den Ausbau dieses
neuen Höhlenteils (vor allem muß ein sicherer Weg durch den Versturz
gebahnt werden), fotographiert seine Entdeckungen (Abb. 5) und führt
immer wieder Gäste in seine wichtigsten Entdeckungen. Daneben gehen die
Forschung in den tagfernen Teilen weiter: Max Kämper und Ed Bishop
erkunden die "Grand Avenue" und stoßen auf "Bismarck Dome" und "Moltke
Dome" - in der Namensgebung spiegelt sich die deutsch-nationale
Gesinnung des Entdeckers.
Über die letzten Monate des Amerika-Aufenthalts von Max Kämper sind
keine Aufzeichnungen erhalten geblieben. Im Dezember 1908 reist er mit
dem Schiff "Prinz Friedrich Wilhelm" nach Deutschland zurück.
1909 heiratet er in Berlin die Arzttochter Elsbeth Patschkowski, die
Schwester von ehemaligen Kommilitonen, die wie er "MOTIV"-Mitglieder
sind. 1910 kommt der Sohn Hans, 1913 die Tochter Ilse auf die Welt. Ab
1913 arbeitet Max Kämper als Diplom-Ingenieur bei der Firma DeutschLux
- Vereinigte Stahlwerke in Dortmund.
Kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs wird er als Leutnant der
Feldartillerie eingezogen. Am 10. November 1916 reisst ihn in
Nordfrankreich an der Somme ein Volltreffer auf einen Unterstand seiner
Einheit aus dem Leben.
Seine Witwe, für die mit seinem Tod eine Welt zusammenbrach, hütete
seine Hinterlassenschaften wie Reliquien. Als im 2. Weltkrieg die
Wohnung in Berlin-Grunewald durch einen Bombentreffer zerstört wurde
gingen auch die meisten Aufzeichungen von Max Kämper in Flammen auf.
Einige Dokumente haben jedoch den Krieg überdauert und wurden von der
Familie aufbewahrt. Sie liefern neben den hier dargestellten Fakten
zahlreiche Ansatzpunkte für weitere Recherchen.
Für wichtige Hinweise und Ratschläge im Verlauf dieser Recherche ist
vor allem dem Landesarchiv Berlin und dort Herrn Dr. Luchterhandt und
Herrn Lucke, Frau Birgit Böhme von der Zentral- und Landesbibliothek
Berlin sowie Herrn Moisel vom Kirchenkreis Siegen zu danken.
Literatur:
Bruckner, Roger W. & Watson, Richard A. - The Longest Cave. New York, 1976
Hovey, Horace C. - Kaemper´s Discoveries in the Mammoth Cave: Scientific American, May 22, 1909: p. 388 + 390
Sutton, Michael R. - Thirty Years of Mapping by the Cave Research Foundation: NSS Bulletin 52 (1990): p.1-15
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