Den 5.2.51
Mein geliebtes Trudekind, ich muß Dir
noch ein paar Zeilen schreiben, aus dem Gefühl
heraus, es nicht mehr lange zu können. Ob
wir uns am Mittwoch noch einmal sehen werden,
steht in Gottes Hand, stünde es in der meini-
gen, dann gewiß! Ich habe solche Sehnsucht, daß es
mir scheint, sie könne sich nicht mehr erfüllen.
So danke ich denn jetzt Dir und Deinem guten
Wilhelm noch einmal für alle Liebe u. Freund-
lichkeit, die Ihr mir geschenkt habt. Wenn es
wahr ist, u. es ist wohl so, daß alles Gute u. Böse
auf den Urheber zurückfällt, so wird es Euch
nicht schlecht gehen. Das ist mein größter
Wunsch und auch daß Ihr nie Böses mit Bösem
vergelten möget - lieber vergeben! Ihr habt
mir viel Sonne auf meine letzte Wegstrecke
gelegt, dieser Sonnenschein wird Euch trösten,
sollten wir uns nicht mehr sehen.
In innigster Liebe noch einen Kuß!
Deine treue Mutter.
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