Familienverband Luyken



Argentinien - Der Nordosten
Reisebericht

Von
Hermann Luyken
Bildergalerie

Home
Kontakt

English
Español

Ludwigshafen, 16.12.2006

Reiseroute


Diesmal ging die Reise nach Argentinien. Nach einem angenehmen Flug über Madrid landeten wir in der Hauptstadt Buenos Aires. Am Flughafen wartete schon ein Taxi auf uns, das uns zum Hotel brachte. Da wir früh angekommen waren, erkundeten wir gleich, die Stadt zu Fuss. Als erstes genehmigten wir uns ein schönes saftiges Steak mit einer kleinen Flasche argentinischen Rotwein. In den folgenden drei Tagen sind wir endlos gelaufen.

Am ersten Tag besuchten wir die eigentliche Stadtmitte, in der sich die "Casa Rosada" - das "Rosa Haus", befindet, welches der Sitz vom Präsidenten ist. Vor der Casa Rosada ist die Plaza de Mayo, auf der die Mütter der "Verschwundenen" immer noch demonstrieren und Auskunft über den Verbleib ihrer während der Diktatur verschwundenen Kinder fordern. Auch die Kathedrale befindet sich dort. Ein Muss ist die Avenida 9 de Julio mit dem markanten Obelisk, laut Angaben die breiteste Strasse der Welt.

Am zweiten Tag erkundeten wir zunächst den Stadtteil Puerto Madero. Dieser Teil entwickelt sich rasant zu einem Viertel der Wohlhabenden, die in luxuriösen Hochhäusern leben. Schicke Cafes und Restaurants umranden die ehemaligen Hafenbecken. Die alten Kornlager wurden neu hergerichtet und enthalten jetzt Appartements. Dann liefen wir weiter in die Stadtteilen Retiro und La Recoleta, beide auch relativ wohlhabend. Die Fussgängerzone in der Calle Florida endet an der sehr schönen Plaza San Martín. Buenos Aires hat eine sehr gemischte Architektur, es wurde aber sehr viel in französischem Stil gebaut. Oft hat man den Eindruck, man befindet sich in Paris. Die vielen Lateinamerikaner aus anderen Ländern wie Brasilien und Chile sind nicht leicht erkennbar.

Abends wurden wir zu einer Milonga eingeladen. Das ist eine Veranstaltung, in der man Tango singt. Das waren keine Profisänger, sondern alte Leute, die sich zusammengetan hatten, um der Einsamkeit zu entfliehen und ein paar schöne Stunden zu erleben. Noch wichtiger als die Melodie und der Rhythmus ist beim Tango der Text, der ebenfalls recht melancholisch ist.

An unserem letzten Tag in Buenos Aires gingen wir nach La Boca. Dort ist mitten in einem Arbeiterviertel eine touristische Attraktion entstanden. Die bunt gestrichenen Häuser sind inzwischen nicht mehr ursprünglich. In der Nähe befindet sich das Stadion, in dem die Boca Juniors, eine der besten argentinischen Fußballmannschaften spielen. Fußball - eine nationale Leidenschaft. Die Nachrichten des Landes bestehen aus einigen wenigen politischen Themen, die aufgebauscht werden, aus Nachrichten über Verbrechen und ausführlichen Fußballnachrichten.

Nach dem Besuch von La Boca sind wir endlos durch den Stadtteil Palermo gelaufen, in dem die Mittelschicht lebt. Bemerkenswerte Architektur ist hier das Gebäude der Wasserwerke, der Palacio de las Aguas Corrientes, der wenig bekannt ist.

Am vierten Tag holten wir unseren Mietwagen ab und begaben uns Richtung Norden. Zunächst fuhren wir am Uruguay- Fluss, der Grenze zu Uruguay, entlang und übernachteten in Concepción. Wir besuchten den Palacio San José in der Nähe, in dem der erste Präsident Argentiniens, Justo José de Urquiza, gelebt hat. Er wurde hier 1870 ermordet. Weiter ging es zum Nationalpark El Palmar, wo die Yatay-Palme geschützt wird.

Über Curuzú Cuatiá fuhren wir zu einem der Höhepunkte unserer Reise, dem abgelegenen Nationalpark Esteros del Iberá. Nach 120 km Schotterpiste erreichten wir den Ort Colonia Pellegrini. Nachmittags ging es per Boot zur Lagune mit ihrer üppigen Artenvielfalt. Dort leben im Wasser und auf schwimmenden Pflanzeninseln Yacarés (Kaimane), Capybaras (Wasserschweine) sowie die vom Aussterben bedrohten Sumpfhirsche (Blastocerus dichotomus). Zum Glück ist dieser Nationalpark wenig bekannt, so dass hier kaum Touristen sind.

In der Nähe von Curuzú Cuatiá, in der Stadt Mercedes, wurde ein Dieb namens Antonio Gil hingerichtet, der den Armen half und der sich zu einer Kultfigur, genannt Gauchito Gil, entwickelte. Er wird wie ein christlicher Heiliger verehrt. Überall im Norden befinden sich an den Straßenrändern Heiligtümer zu Ehren vom Gauchito. Das wird von der katholischen Kirche nicht gerne gesehen. In dieser Gegend haben wir auch noch echte Gauchos gesehen, die auch die traditionelle Tracht trugen.

Wir fuhren weiter nach Norden. Die Landschaft wandelte sich von endlosen Rindviehweiden in Teeplantagen um. Wir erreichten den zweiten Höhepunkt unserer Reise, die Wasserfälle im Nationalpark Iguazú. Iguazú bedeutet auf Guaraní "großes Wasser". Kurz vor seiner Mündung in den Paraná-Fluß an der Grenze zu Brasilien und Paraguay stürzt der Iguazú-Fluß in mehreren Fällen und in zwei Stufen bis zu 75 m in die Tiefe. Die Wasserfälle erstrecken sich über eine Gesamtlänge von 2.5 km. Obwohl es wenig geregnet hatte und der Fluß wenig Wasser führte, war der Eindruck überwältigend. Natürlich war es hier ziemlich überlaufen, aber es war alles sehr gut organisiert.

Dann fuhren wir den Paraná-Fluß entlang, einem gewaltigen Strom und gleichzeitig Grenze zu Paraguay durch die Provinz Misiones. Nahe der Stadt Posadas besichtigten wir einige Jesuiten-Reduktionen (Spanisch: Misiones), die von den Spaniern errichtet wurden, um die indianische Bevölkerung anzusiedeln und zu kontrollieren. Es sind allerdings nur noch Ruinen erhalten.

Weiter ging es zum Dorf Ituzaingó an dem der Paraná an dem gewaltigen Staudamm von Yacyretá angestaut wird. Paraná bedeutet auf Gauarní "dem Meer ähnlich". In 20 Turbinen werden derzeit 2.100 MW elektrischen Strom erzeugt, nach Ausbau des Staudammes sollen es 3.200 MW werden, ausreichend, um 15 % des argentinischen Strombedarfes zu decken. Zwar führt der Paraná mit durchschnittlich 13000 m3/s mehr Wasser als am Itaipú-Staudamm, die Fallhöhe ist mit derzeit 18 m (später 23 m) jedoch deutlich geringer, so dass die Leistung nur ein Fünftel beträgt. Wir konnten das Turbinenhaus besuchen und spürten die gewaltige Kraft des gesamten Flusses durch die Vibrationen.

Auf dem Weg zur Provinzhauptstadt Corrientes kehrten wir in Itatí ein. Dort entdeckten wir eine riesige Basilika in der die Jungfrau Maria verehrt wird. In Corrientes angekommen quartierten wir uns im Hotel ein und erkundeten die Stadt. Die Hauptstadt der Provinz Corrientes strahlt ein besonderes Flair mit ihren vielen alten Gebäuden in allen möglichen Stilen aus. Abends schienen alle Einwohner der Stadt am Flussufer zu joggen und den Abend zu genießen.

Am nächsten Tag wollten wir in aller Frühe weiter. Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen ins Auto und fuhren los. An der Brücke über den Paraná war das Militär aufgestellt und hatte den Weg gesperrt. Nach einigen Stunden erfolglosen Wartens erfuhren wir, dass Demonstranten die Brücke gesperrt hatten. Es handelte sich um Fischer, die rebellierten, weil die Regierung Auflagen zur Maschenweite der Fangnetze gemacht hatte. Der Fluss ist überfischt und die kleineren Fische sollen überleben, damit sich die Bestände erholen können. Nachdem wir bis 17:30 Uhr warten mussten und den ganzen Tag verloren hatten, konnte ich nur wenig Sympathie für die Fischer empfinden. Es wunderte mich, wie die Polizei und das Militär zulassen konnten, dass der Verkehr zwischen zwei Millionenstädten (die Hauptstädte Corrientes und Resistencia) paralysiert wird.

Einmal auf der anderen Flussseite angelangt, fuhren wir zunächst zum Nationalpark Chaco. Dort waren allerdings so viele Mücken, dass wir den Ort beinahe fluchtartig verließen. Danach ging es weiter in Richtung Norden nach Formosa und weiter in den Nationalpark Río Pilcomayo an der Grenze zu Paraguay. Der Parkwächter sagte uns, dass die Kaimane oft auf den Holzstegen liegen würden. Tatsächlich lag da einer und versuchte, seinen Körper abzukühlen.

Ursprünglich hatten wir vor, die Grenze entlang nach Jujuy zu fahren, aber die Straße war nicht vollständig asphaltiert. So entschieden wir uns, wieder nach Süden zu fahren. Wir hielten in der Stadt Reconquista an, die nicht so bekannt ist und eine wunderschöne italienisch anmutende Kirche hat. Es war Wochenende und wir haben gefragt, ob irgendwo Tango getanzt würde. Aber im Norden interessiert man sich nicht für Tango. Hier wird Chamamé gehört, eine Musik mit paraguayischem Einfluß. Außerdem konnten wir eine Veranstaltung in der syrisch-libanesischen Vereinigung beobachten, bei der der Unabhängigkeitstag des Libanon gefeiert wurde. Argentinien ist ein Land von Einwanderern mit einem nur sehr geringen Anteil indianischer Bevölkerung. Viele Leute sahen so deutsch aus, dass es schwer fiel, sie in Spanisch anzusprechen. Und es war merkwürdig, sie dann in argentinischem Spanisch antworten zu hören. Wenn man genau zuhört, bemerkt man den italienischen Einfluß, der sich vor allem im Tonfall widerspiegelt. Jorge Luis Borges, ein berühmter argentinischer Schriftsteller sagte, die Argentinier seien Italiener, die Spanisch reden und gerne Engländer wären. Er lag nicht falsch.

Dann ging es weiter zur Hauptstadt Santa Fé, die auch am Paraná liegt. Auf der anderen Flussseite liegt die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz Paraná. Beide Städte haben schöne Innenstädte mit Kolonialgebäuden. Anschließend ging es weiter nach Rosario. Hier befindet sich das gigantische Flaggendenkmal. Als leidenschaftliche Menschen sind die Argentinier, ähnlich vieler Lateinamerikaner, ausgeprägt patriotisch. Außerdem sind sie tief religiös, wie die überall zu findenden Darstellungen von der Jungfrau von Luján zeigen. Und sie neigen dazu, einen Kult bei bestimmten Persönlichkeiten zu entwickeln, wie die Beispiele von Gauchito Gil, Eva Perón und neuerdings Diego Maradona zeigen.

Nach einem kurzen Halt in San Antonio Areco, einem wunderschönen Städchen in dem die Gauchokultur gepflegt wird, sind wir zur Pilgerstätte Luján mit der Patronin von Argentinien weitergefahren. Die Basilika ist neu aber dennoch sehr schön. Dann ging es über Tandil an den bekanntesten Badeort Argentiniens, Mar del Plata. Hier wird es im Sommer (Januar und Februar) recht voll. Das Meer ist zwar nicht wie in der Karibik, aber der Strand war nicht schlecht. Abends fuhren wir zum Hafen, wo die Fischer ankommen, um ihren Fang zu verkaufen. Sie werden begleitet von Seelöwen, die die Fischreste fressen und sich an den Kais ausruhen. Es war ein wunderschönes Erlebnis. Nachdenklich stimmte mich die Betrachtung eines Denkmals für die Fischer, die von der See nicht mehr zurückkamen. Mir wurde wieder klar, wie hart viele Menschen arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Danach fuhren wir die Küste entlang Richtung Buenos Aires und machten einen Zwischenhalt in der Provinzhauptstadt La Plata. Diese relativ neue Stadt ist auch sehr schön und hat eine große Kathedrale, die eine Mischung aus Kölner Dom und Renaissance ist. Es gibt überall Bäume, manchmal fast zu viele.

Schließlich erreichten wir Buenos Aires, wo wir das Auto zurückgaben und die letzte Nacht durch Puerto Madero und durch San Telmo mit seinen vielen Straßencafés spazierten. Zwischen Hotel und San Telmo mußten wir die Autobahn unterqueren. An der Unterführung konnten wir die andere Seite Argentiniens beobachten: Drei Männer, die den Müll sortierten. Einer von ihnen fand ein Stück Baguette und roch daran, um zu sehen, ob es noch eßbar war. Irgendwie fühlte ich mich schuldig.

Es war mal wieder eine sehr schöne Reise. Wir haben festgestellt, dass die Argentinier viel besser sind, als der Ruf, den sie unter den Lateinamerikanern haben. Überall und noch mehr auf dem Land sind die Leute recht herzlich. Man kommt oft in lange Gespräche, als ob man sich schon lange kennen würde. Es herrscht ein geordnetes Chaos. Autofahren ist abenteuerlich, aber irgendwie klappt alles. Man fährt nicht auf der Spur, sondern auf der Linie. Blinken ist überflüssig, eine klare Vorfahrtsregelung nicht vorhanden. Wer auffährt muss zahlen, egal ob er die Vorfahrt hatte oder nicht (ist das nicht logisch?). Und irgendwie ist das nicht Lateinamerika, sondern Europa - die Leute, die Gebäude, die Autos. Eins steht fest: Wir wollen wieder kommen und die anderen Teile dieses so großen und schönen Landes sehen.



Seitenanfang