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Brief
von Jürgen Gürtzgen und Ilse Gürtzgen, geb. Neu
4. November 2008
Gerne will ich Ihnen etwas über den "Löhrhof" - er wird auch "Löhrshof" genannt - berichten.
Zuerst will ich mich aber ganz kurz selbst vorstellen und dann später über die Familie meiner Frau berichten.
Ich heiße Jürgen Gürtzgen, bin fast 64 Jahre alt und habe bis zu meinem
55. Lebensjahr in Wesel,
Brüner Landstraße gewohnt. Mein Großvater und Vater hatten dort ein Elektrogeschäft und die besagte Brüner Landstr.
führte so nach gut 2 km zum Ruhof. Neben meinem Elternhaus war auch eine Metzgerei.
Mein Großvater hat für
Prof. Dr. Walter Luyken und den Ruhof oft
gearbeitet und ich erinnere mich noch sehr gut an den
Herrn Professor und seine Gattin.
Damals, nach dem 2. Weltkrieg, habe ich immer sehr ehrfürchtig den
Herrn Professor und seine elegante Gattin bestaunt, wenn diese beim Metzger Kriedemann einkauften oder unser
Geschäftslokal wegen Reparaturen oder Aufträgen aufsuchten. Nun habe ich ja ein wenig in der Chronik der
Familie Luyken gestöbert und dort dann festgestellt, dass Frau Luyken eine Engländerin war. Daher also die
vornehme Art.
Für uns Kinder war der Weg zur Bärenschleuse, der ja seitlich durch "Luyken´s Busch" führte, immer sehr aufregend.
An der Issel wurde gebadet und wir lernten dort natürlich auch Schwimmen. Immer wieder zog es uns aber zu dem
Totenkeller, der vom Weg aus zu sehen war. Der Wald wurde aber immer beaufsichtigt und oft genug wurden wir von
diesem "unheimlichen" Ort verjagt. Dem Zahnarzt Dr. Josef Schepers gehörte dort auch wohl das Jagdrecht.
Des Öfteren bin ich als Junge von 14 Jahren für den Doktor und seinen Freund, Sägewerksbesitzer Thier,
alleiniger Treiber gewesen. Beide waren damals schon sehr alt und von ihren Schiesskünsten her keine rechte
Gefahr mehr für Niederwild, - höchstens für den vorlaufenden Treiber, nämlich mich!!
Nun will ich Ihnen gerne über den "Löhrhof", so gut es denn geht, berichten. Hier bediene ich mich auch der
Stammtafel der Familie Luyken. Berichter ist hier nun meine Frau, Ilse Gürtzgen, geb. Neu, (* 1945)
mit der ich seit 42 Jahren verheiratet bin. Der Löhrhof und das Elternhaus von mir waren Luftlinie 500 m
entfernt.
Nach den Erzählungen meines Vaters, Fritz Neu, geboren 1903 auf dem Löhrhof als 10. von 11 Kindern, ist
dieser Hof über 200 Jahre von der Familie Neu als Pachthof bewirtschaftet worden. Erst 1962 hat mein
Vater den Beruf des Landwirtes aufgegeben. Der Hof an sich war zu diesem Zeitpunkt von seiner Größe her auch
nicht mehr sehr wirtschaftlich, obwohl die Vorfahren durch die Bewirtschaftung zu gutem Reichtum und Ansehen
gekommen waren. Mein Vater erzählte mir sehr häufig die Geschichte, dass dann nach dem Ernteverkauf sein Vater
immer die Goldmark auf dem Tisch zählte und es ist immer ein großer Haufen an Geld gewesen. Mein Großvater hat
dann auch zu Kriegsbeginn (1. Weltkrieg) Kriegsanleihen gezeichnet, die dann natürlich alle verloren waren.
So hat er dann in der Nacht mal äußerst unruhig geschlafen und seine Frau hat ihn gefragt, warum er denn nicht
schlafen könne. Er hat dann von seinen finanziellen Verlusten gesprochen und seine Frau hat zu ihm gesagt
"wenn es nichts anderes ist, dann dreh Dich mal auf die Seite und schlafe weiter".
Woher kommt nun der "Löhrhof".
Der Hof ist durch Heirat von Christina Gerthrutha Löhr mit
Daniel III Luyken, in die Familie Luyken gekommen.
Wahrscheinlich war der Hof zu diesem Zeitpunkt schon durch die Fam. Neu als Pachthof bewirtschaftet.
Nach Aussage meines Vaters soll unsere Familie aus Frankreich stammen (Hugenotten) und in ihrem Ursprung Ney
geheißen haben. Der Hof ist dann später durch Erbschaft in die Familie
Carl Sehte gekommen und mein Vater kannte
noch Marie Sethe, verheiratete Voswinkel, da diese wohl
in seiner Jugendzeit entweder den Hof öfters
besuchte bzw. vielleicht im vorderen Herrenhaus wohnte. Hier kann ich mich aber nicht mehr genau an seine
Worte erinnern.
Später bekam dann der Oberstaatsanwalt Karl August Sethe von
seiner Tante den Hof. Der Herr Oberstaatsanwalt
starb 1955 auf Löhrhof. Ich selbst kann mich sehr gut an ihn erinnern. So lange ich denken konnte, lag dieser
krank im vorderen Herrenhaus in seinem Bett. Immer wenn ich Eier zu seiner Haushälterin brachte, musste ich dem
Herrn Oberstaatsanwalt "Guten Tag" sagen. Er war zu diesem Zeitpunkt wohl auch schon fast blind und er fühlte
immer meinen Arm und ich wurde dann von ihm aufgefordert, tüchtig zu essen, damit meine Arme dicker würden.
Kurz vor seinem Tod hat er dann seine Haushälterin, Frl. Stadler, geheiratet, die dann als Nutznießerin auf
dem Hof lebte. Nach dem Tod von Herrn Oberstaatsanwalt Sethe erbte eine Nichte, Frau Reußner den Hof.
Ich habe damals auch des Öfteren mit 2 Großnichten des Oberstaatsanwaltes gespielt, die in meinem Alter
waren.
Komme ich nun zu dem Bild, das der Bruder meines Vater, der
Sattlermeister August Neu, so um 1940
vom "Löhrhof" gemalt hat. Das Bild zeigt von Westen her den Hof. Links befindet sich die Scheune und Remise.
Rechts davon führte der Weg zu der Pächterwohnung, die hier auf dem Bild noch von kleinen, später aber herrlichen
Bäumen gesäumt war. Sie sehen hier zwei rote Backsteingebäude, die die Stallungen für das Vieh waren.
Ein großer Innenhof führte auf das rückseitige Herrenhaus, in dem wir unsere Wohnung hatten.
Vorne rechts vor den Stallungen war unser Garten, von einer Hainbuchen-Hecke umgeben. Das Herrenhaus
(hier als weißes Haus zu sehen), wurde in dem vorderen unteren Teil von Oberstaatsanwalt Sethe bewohnt,
während oben Mieter wohnten. Zu diesem Herrenhaus - hierzu gab es eine gesonderte Einfahrt - schloss sich ganz
nach rechts ein großer Park an. Hier habe ich als Kind oft gespielt. Im Hintergrund schloss sich fast über die
ganze Länge des Grundstückes ein Obsthof an, der wohl von meinem Urgroßvater angelegt worden war.
Die Wiese im Vordergrund gehörte hier auch mit zum Löhrhof, der insgesamt ca. 65 Morgen (16 ha)
Land hatte.
Nach der Aufgabe der Landwirtschaft durch meinen Vater kam ein neuer Pächter auf diesen Hof. Er ist dort aber nicht
lange Zeit gewesen. Es gab danach mehrere Verwendungen der Gebäude. Wem der Hof heute gehört, ist mir
nicht bekannt, zumal ich ja mit meinem Mann vor vielen Jahren von Wesel weggezogen bin. Ich weiß jedoch aus
Erzählungen aus der Verwandtschaft, dass das heutige Aussehen des Hofes mit dem früheren Aussehen nichts mehr
zu tun hat.
Mit freundlichen Grüßen!
Ilse und Jürgen Gürtzgen
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