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Suche nach Max / Teil 3
Wanderung unter der Erde Wie schon vor 100 Jahren ist die Mammoth Cave ein beliebtes Ausflugsziel. Die Park-Ranger führen Jahr für Jahr Hunderttausende durch die endlosen Gänge und Hallen, ein Ranger in adretter Uniform vorweg, ein zweiter als Schlussmann hintendran. Man will ja niemanden in der Höhle verlieren. Ganz unterschiedliche Touren durch die Höhle werden angeboten – von der kurzen Stippvisite im Eingangsbereich bis zu 8-stündigen Klettertouren auf den Spuren der ersten Erforscher. Einen maximalen Brustumfang von 41 Inch dürfen die Teilnehmer dieser – wie es heisst – extrem anstrengenden Tour mitbringen. Wegen der Engstellen, in denen sie sonst steckenbleiben würden.
Die Geschichte der Mammoth Cave ist das Hauptthema dieser Tour. Immer wieder hält der Führer an, um historischen Relikte zu erklären.
Rohrleitungen und zerfallene Holzkonstruktionen zeugen von den Aktivitäten der ersten europäischen Siedler, die Anfang des 19. Jahrhunderts in die Mammoth Cave vordrangen. Nicht aus Neugierde, sondern aus ganz praktischen Gründen: die Siedler brauchten Schiesspulver. Aus den Bergen von Fledermaus-Guano, das sich über hunderttausende von Jahren in der Höhle angesammelt hatten, liess sich Salpeter gewinnen - eine wichtige Zutat bei der Schwarzpulver-Produktion. Als Arbeitskräfte wurden schwarze Sklaven unter die Erde geschickt. Zeitzeugen beschreiben die Szenerie als geradezu infernalisch: lodernde Feuer, beissender Qualm, dazwischen schuftene, erschöpfte Gestalten. 1812 wurde die Produktion eingestellt, es lohnte sich nicht mehr. Anderswo war Schiesspulver billiger zu bekommen. Doch der Höhlenbesitzer kam auf eine neue Idee: Zahlenden Besuchern wollte er die Höhle zeigen – oder besser: zeigen lassen. Die schwarzen Sklaven, die die Höhle besser kannten als jeder andere, bekamen den Auftrag, die Gäste durch die Unterwelt zu führen. Die schwarzen Höhlenführer wurden rasch zum Markenzeichen der Mammoth Cave, die in der Werbung als "längste Höhle der Welt" angepriesen wurde, was zwar nicht zu beweisen, aber auch nicht zu widerlegen war. Die früher verhasste Arbeit unter der Erde war bei den Sklaven nunmehr begehrt und beliebt. Denn in dieser Welt hatten sie das Sagen. An der Oberfläche bestimmten die weissen Sklavenhalter was richtig und was falsch war. Unter der Erde war alles anders, in jeder Hinsicht. Hier unten konnten die Schwarzen sogar eigenes Geld verdienen. Die Trinkgelder ihrer Gäste durften die Führer behalten. Also dachten sie sich immer neue Attraktionen aus, um ihre Besucher zu beeindrucken. Virtuos schleuderten sie brennende Fackeln in schwindelnde Höhen, um grosse Hallen zu illuminieren. Nervenstarke Forschernaturen unter den Besuchern wurden über tiefe Schächte hinweg in Gänge geführt, die noch kaum ein Mensch gesehen hatte. Sehr beliebt war bei den Gästen auch, den eigenen Namenszug an den unzugänglichsten Stellen zu hinterlassen. Tausende von Inschriften zieren noch heute in mehreren Metern Höhe die Decke der "Gothic Avenue". Ein Höhepunkt der damaligen Touren, wo die Trinkgelder sicherlich nur so sprudelten, war die "Star Chamber". Trinkgelder sind bei den Rangern von heute tabu. Doch ansonsten läuft die effektvolle Show in der Sternenkammer bis heute noch genauso ab, wie es ein Besucher vor 100 Jahren erlebte: "Der Führer sammelt die Lampen ein und verschwindet mit ihnen hinter einem Felsvorsprung. Was dann folgt ist eine wahrlich perfekte Illusion: Die Decke scheint in immense Höhe angehoben. Es ist, also würden wir aus den Tiefen eines Canyons direkt in den Sternenhimmel blicken. Eine Sternschnuppe schiesst über die Schlucht. Wir erblicken den sanften Schein der Milchstrasse. Plötzlich unterbricht der Führer unsere Begeisterung indem er uns eine Gute Nacht wünscht. "Bis morgen früh!" hören wir ihn sagen und er verschwindet in einem Seitengang. Uns umgibt finsterste Nacht. Die Stille ist so vollständig, dass wir unseren Herzschlag hören. Plötzlich taucht an der anderen Seite ein Lichtschein auf, wie ein erste Vorbote der Morgendämmerung. Das Morgenrot färbt die Felsspitzen. Der Horizont erstrahlt in rosarotem Licht. Und dann erhebt sich ein Konzert aus krähenden Hähnen, muhenden Kühen und bellenden Hunden. Der Bauenrhof begrüsst die aufsteigende Sonne. Und schon erscheint der Führer, und fragt uns, wie uns die Vorstellung gefallen habe. Unsere Antwort ist herzlicher Applaus."
Weiter geht des Weg, durch riesige Hallen, in denen früher grosse Mengen von prähistorischen Relikten gelegen haben sollen. Vor mehreren tausend Jahren drangen Indianer mit Fackeln bis zu 3 km weit in Höhle ein, um Gips und andere Mineralien abzubauen. Die Reste ihrer Fackeln, Körbe und Grabstöcke hatten in dem trockenen Höhlenklima die Jahrtausende gut überstanden – verständnislose Besucher verbrannten die Zeugnisse der Geschichte, um sich zu wärmen. Die Decke wird niedriger. Auf dem Boden liegen herabgestürzte Trümmer. Schliesslich versperrt eine Wand aus chaotisch übereinanderliegenden Felsblöcken den Weg. "Ultima Thule" heisst die Stelle – das Ende der Welt.
Bis 1908 endeten hier die Höhlenbesuche, berichtet der Ranger seinen Gästen. Doch dann habe ein deutscher Besucher namens Max Kämper zusammen mit seinem schwarzen Guide Ed Bishop einen Weg durch das Hindernis gefunden. Max Kämper zwängte sich zwischen wackeligen Felsblöcken hindurch und kam ein einer grossen Halle an. Ultima Thule war nicht das Ende der Höhle, sie ging weiter, riesengross weiter. Die Halle nannte er – nach sich selbst – Kämper Hall. Einen eindrucksvollen Schacht in ihrem Boden zu Ehren seines Guides "Bishop´s Pit".
Die folgende, noch grössere Halle bekam nach seiner Schwester den Namen "Elisabeth Dome". Und den nächsten, noch grössere Saal nannte er nach der Höhlenbesitzerin "Violet City". Violet City ist der spektakuläre Höhepunkt der Lantern Tour. Die Petroleumlampen reichen nicht aus, die gewaltige Halle auszuleuchten. Die wahren Dimensionen sind nur zu erahnen. Am oberen Ende sind Tropfsteinformationen zu erkennen. Die sich nähernden Lampen holen Reihen von herabhängenden Stalaktiten aus der Dunkelheit, Tropfsteinvorhänge und Kaskaden aus Kalzit. Durch einen künstlichen Stollen verlassen die Touristen die Höhle.
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