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Genealogie


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Kartographen im Untergrund

Eine Inschrift von 1912. Irgendjemand hat sich am Ende eines Seitengangs verewigt. Ein interessanter Fund für Stan und Rick von der Cave Research Foundation. Die Inschrift wird fotografiert, ihre Position sorgfältig notiert. Ein Datensatz mehr in der Inschriften-Datenbank.

Seit den 60er Jahren forschen die Mitglieder der Cave Research Foundation in der Mammoth Cave und den vielen anderen Höhlen im Nationalpark. Die meisten von ihnen sind – was die Höhlenforschung angeht – Amateure. Stan etwa ist Arzt, Rick Biologe. Was sie verbindet ist die Begeisterung für die Höhlen, die Faszination des dunklen Unbekannten.

Jahr für Jahr organisiert die Gruppe Expeditionen, um neue Gänge zu erkunden. Oft sind die Forscher tagelang unter der Erde, denn die Forschungsgebiete liegen viele Stunden vom nächsten Eingang entfernt. Nur gut trainierte und überaus sicherheitsbewusste Leute werden ins Team aufgenommen, waghalsige Abenteuertypen kann man nicht gebrauchen. Nicht auszudenken, wenn tief im Erdinnern ein Unfall passieren würde.

Jede Neuentdeckung wird sofort auf präzisen Plänen festgehalten, nur so ist es noch möglich, in dem Ganggewirr überhaupt den Überblick zu behalten. Und jedes Jahr kommen neue Gangstrecken hinzu – ein Ende ist nicht abzusehen. Inzwischen hat die Gruppe über 600 Kilometer Höhlengänge kartografiert und in Computerprogrammen erfasst. Die Mammoth Cave ist damit mit weitem Abstand die längste Höhle der Welt.

Mit fantastischen Behauptungen über die riesigen Dimensionen der Höhle lockten die Höhlenbesitzer schon vor 150 Jahren die Besucher nach Cave City. Über 100 Meilen sei die Höhle lang, hiess es in den Werbeprospekten des 19. Jahrhunderts. Die Zahl war kühn aus der Luft gegriffen, denn genaue Angaben über die Ausmasse des Labyrinths konnte ehrlicherweise niemand abgeben. Zwar kursierten verschiedene grobe Planskizzen, doch eine genaue Kartographie der Höhle gab es nicht und sollte es auch nicht geben. Jeder Versuch, die Höhle zu vermessen, wurde von den Höhlenbesitzern abgeblockt. Und das nicht ohne Grund, wie ein Reisender schon vor 150 Jahren erfuhr:

"Herr, haben Sie keine Karte von Ihrem infernalischen Reich?" fragte ich. "Karte?" wiederholte Mr. Proctor, der im Winter nicht nur Hotel- und Höhlenbesitzer, sondern auch Kellner und Führer ist, wenns Not tut. "Nein, Sir! Eine Karte gibt es nicht. Die Eigentümer gestatten grundsätzlich keine Aufnahme des Inneren der berühmten Mammothhöhle." Und damit verließ er das Zimmer.

Der Mann hatte eine scharfe Nase. Er roch in mir den bösen Feind. Nach wenigen Minuten kam sein Sohn herein. Ich bestellte einen Drink und fragte ihn gleichgültig, warum die Höhle nicht aufgenommen werde. Der Junge war weniger höflich: "Dam me! Das sollte uns einer probieren!" Und er stiess den Kolben seines Gewehrs auf den dröhnenden Boden. "Wissen sie, die Höhle ist verflucht gross. Wir haben zweitausend Acres um den Eingang herum gekauft. Aber – dam me – das ist gerade für die Katz! Ein Zweig geht sicher bis Cave City , ein anderer gegen Glasgow. Wenn einer in Cave City wüsste wie sie läuft würde er einen neuen Eingang graben und dann – Gute Nacht, Cave Hotel! Wir wären ruiniert!"

Der junge Mann ahnte wohl nicht, wie recht er hatte. Tatsächlich gelang es 1921 einem Bergbauingenieur namens George Morrison, vom Nachbargrundstück aus eine weiteren Zugang zu der Höhle zu öffnen, den "New Entrance". Morrison wusste, wie er diese Entdeckung zu Geld machen konnte: er baute ein Hotel und lotste mit einer grossen Werbekampagne und riesigen Hinweistafeln die Besucher in seinen Teil der Höhle. Und da sein "New Entrance Hotel" näher an der Hauptstrasse lag als die alte Herberge ging dort das Geschäft bergab, während Morrison´s Unternehmen florierte. Zwischen den Beteiligten entbrannte ein heftiger Streit, der nicht nur mit Worten, sondern teilweise auch mit Waffengewalt geführt wurde und als "Höhlenkrieg von Kentucky" in die Geschichte eingehen sollte. Erst die Gründung des Nationalparks 1941 beendete das juristische Tauziehen.

Als Max Kämper 1908 seine Forschungen in der Mammoth Cave begann war den Besitzern sehr wohl bewusst, dass die Höhle bis weit unter die Nachbargrundstücke reichen könnte. Und so verboten sie kategorisch jede Vermessung, von wem auch immer, denn ein genauer Höhlenplan wäre ein überaus brisantes Dokument gewesen. Andererseits: ohne eine genaue Vermessung war auch nicht richtig abzuschätzen, welche juristischen Gefahren denn tatsächlich von den Nachbarn drohten.

In diesem Dilemma kam der junge Deutsche Max Kämper mit seiner grenzenlosen Begeisterung für die Höhle wie gerufen: bei ihm konnte man einigermassen sicher sein, dass er das Ergebnis seiner Vermessungen nicht laut herausposauen würde. Er würde wieder abreisen – und seinen Höhlenplan würde man sorgfältig unter Verschluss nehmen.

Nach einigem Zögern gaben die Höhlenbesitzer grünes Licht für die Vermessung. Gegen freie Kost und Logis im Höhlenhotel sollte Max einen Höhlenplan erstellen.

Für die Besitzer gab es bei dieser Abmachung ein klares Motiv. Doch wie sah es bei Max aus, was waren seine Motive? Was veranlasste ihn zu seinen Forschungen, was brachte ihn auf die nicht gerade naheliegende Idee, im Februar 1908 ins ungemütliche, kalte Cave City zu reisen? Sein Notizbuch verrät nichts und seine Familie ist ebenso ratlos wie wir.