Biographie Ewald Luyken
Ewald promovierte 1903 mit der Dissertation "Ein Fall von kombinierter Missbildung aus dem pathologischen
Institut zu Kiel".
Im September 1998 erschien im Amtsblatt der Gemeinde Stolberg/Harz der Aufsatz
Die Entwicklung des Gesundheitswesens in Stolberg (Harz)
Im Jahre 1904 kam der damlas 30jährige Dr. med. Ewald Luyken als Hofarzt nach Stolberg am Harz. Er eröffnete eine Arztpraxis
und übernahm die ärztliche Betreuung des Pastor-Müller-Stiftes. Zu seinem Arbeitsbereich, welcher sich immer vergrößerte,
gehörten Stolberg, Schwenda, Hayn, Breitenstein, Straßburg und Rothleberode.
Die Hausbesuche innerhalb der Stadt erledigte er mit dem Fahrrad, die größeren Entfernungen wurden mit einer Pferdekutsche
zurückgelegt. 1908 bekam er dann ein Auto, welches eines der ersten in Stolberg war.
Damit wurde seine Arbeit wesentlich erleichtert und er konnte mehr Patienten behandeln. 1923 kam Dr. Robert Sundheim nach
Stolberg und praktizierte zusammen mit Dr. Luyken. Während dieser Zeit verlor das Pastor-Müller-Stift den Charakter eines
Pflegeheimes und entwickelte sich zu einem Krankenhaus. Dieses Krankenhaus hatte 8 Betten und 1 Notbett. Es konnten also
nur die Schwerkranken aufgenommen und behandelt werden. Alle anderen Patienten wurden zu Hause ärztlich versorgt und
viele Frauen mussten zu Hause entbinden.
Dr. Luyken war besonders als Geburtshelfer beliebt und geachtet. Seinem Können verdankt manch einer sein Leben. So zum
Beispiel operierte er, wenn es notwendig war, eine Appendizitis unter den schwierigsten Bedingungen wie schlechte
Beleuchtung und wenigen Instrumenten. Die Operation musste auf dem Küchentisch erfolgen. Unter diesen Gegebenheiten
konnte Sterilität nicht immer gewährleistet sein.
Trotzdem gelangen die meisten Operationen. War ein Patient nun einmal in seiner Sprechstunde und hatte neben anderen
Beschwerden auch noch Zahnschmerzen, wurde ihm von Dr. Luyken der Zahn gezogen. Außerdem besprach er mit gutem Erfolg
bestimmte Krankheiten, wie die Rose. Nach dem 2. Welkriege führte er bis 1955 nur noch eine Sprechstunde in seiner
Praxis am Markt Nr. 4 durch. Zwei Jahre nach seiner beendeten Tätigkeit starb er 1957 im Alter von 83 Jahren.
Dr. Luyken verfügte über ein gutes ärztliches Allgemeinwissen. Zurückblickend ist zu sagen, dass Stolberg in Dr. Luyken
eine Arztpersönlichkeit hatte, durch die viele Patienten Heilung und Hilfe erfuhren. Sein Tun wurde durch das große
Vertrauen, welches die Bevölkerung ihm entgegenbrachte, gerechtfertigt.
Die mit ihren 98 Jahren noch so rüstige Seniorin Liselotte Hetzer schrieb zu dem
obigen Artikel die folgenden Erläuterungen:
Vater Ewald Luyken hatte drei Geschwister: Einen Bruder Hermann und zwei Schwestern, die beide
als Kinder an Bräune (Diphteritis), Wilhelmine 10 jährig, Ida 8jährig
gestorben waren. Vater erinnerte sich, in welcher Form ihm das Sterben mitgeteilt wurde. Ein Dienstmädchen empfing
ihn, als er aus der Kinderschule kam, "Deine Schwester isch dot." Dieses Direkte hat ihn sehr getroffen. Er
erzählte uns später mit großer Anteilnahme davon. Er selbst achtete immer darauf, die Menschen vorzubereiten, besonders
wenn es Unvorteilhaftes zu verkraften gab.
Vater war mit Bruder Hermann in der eigenen Landwirtschaft tätig. Da aber nur einer von der Landwirtschaft leben konnte,
gingen die Jüngeren beim Erben fast leer aus.
Als einmal Familienbesuch eintraf, meinte dieser: "Was machen eigentlich deine Kinder abends, sie haben noch so lange
Licht an?" Das hatte der Vater noch nicht gemerkt, also ging er abends in ihr Zimmer und fand sie am Lernen, vor allem
alte Sprachen, Latein und Griechisch. Befragt antwortete mein Vater, sehr viel Freude an den alten Sprachen zu haben.
Die Landwirtschaft würde ihm nicht genügen. Die Brüder hatten nur das "Einjährige". So erreichte der Besuch, dass mein
Vater nach 4 Jahren Schulpause in Moers das Abi ablegen und Medizin studieren durfte. Sonst hätte er als Nichterbe
vielleicht eine Frau suchen müssen, die einen Mann brauchte, der ihr in der Landwirtschaft helfen konnte - da hatte er
auch nicht viel zu sagen. Oder es blieb so, dann war er von den Entscheidungen des älteren Bruders abhängig.
In der Regel erlernten die Söhne einen Beruf, die Töchter brauchten eine Aussteuer mit Möbeln: Wohn-, Schlafzimmer, Salon,
Küche, Wäsche, Gebrauchsgüter. Beides war teuer, so wurde schon früh gespart. Je früher man mit dem Sparen begann, desto
weniger brauchte man zurückzulegen bei den monatlichen Beiträgen. Gesellschaftliche Stellung: Akademiker waren sehr
angesehen, wurden mit dem Titel angeredet, die Frauen auch "Frau Doktor, Frau Geheimrat", wurden in den Läden bevorzugt
behandelt, zuerst gegrüßt, Kinder machten Hofknicks. Wir waren gehobene Bürger, verkehrten untereinander mit Einladungen
oder Gesellschaften. In Stolberg hielten sich solche Bräuche länger. Wollte man in "die Gesellschaft", machte man
Besuche, die meist mit der Konfirmation anfingen. Besuch machen hieß: Etwa 10 Minuten Dauer; wenn nicht zu Hause,
Visitenkarte abgeben (für jeden eine!). Dann erfolgte Gegenbesuch, etwa sonntags zwischen 11 und 13 Uhr. Danach kam eine
Einladung: Frau Geheimrat Bode fragte gleich: "Wer ist miteingeladen?", wehe, wenn's unter ihrem Milieu war! Bei
der Einladung gab es Kaffee und Kuchen. Ich musste als Tochter servieren: Anbieten von links, Aufgeben von rechts, Teller
Wegnehmen von rechts.
Nun, wie Vater nach Stolberg kam: In Stolberg hatten wir ein Fürstenhaus. Als der Fürst starb, wurde sein Sohn Nachfolger.
Es war wohl alles für ihn ungünstig - so fand man ihn bald tot im Park erschossen. Er hinterließ seine Frau und zwei Kinder:
dreijährig Imagina und einjährig Wolff Heinrich. Die Fürstin wollte ihre Kinder in guter Obhut erhalten und suchte
einen Arzt. Kinderärzte gab es damals noch nicht. Sie wandte sich an Professor Fehling nach Straßburg. Bei diesem famulierte
mein Vater, um sicher zu werden. Er unterrichtete ihn von dem Angebot. Mein Vater fuhr hin, um sich's anzusehen.Es gefiel
ihm, so wurde er "Hofarzt" und durfte auch die Bevölkerung ärztlich versorgen.
Stolberg war damals eine Stadt mit nur 2.000 Einwohnern. Der nächste Bahnhof 6.3 km entfernt. Der damalige Graf hatte nicht
erlaubt, die Eisenbahn weiter zu bauen. "Der Frieden des Waldes sollte nicht gestört werden." Da der Wald ihm gehörte, gab
es damals kein Mittel, gegen seinen Willen eine Eisenbahn zu bauen. Inzwischen gab's eine neue Bestimmung. Die Stolberger
waren nicht mehr Untertanen. Für den Verlust wurde der Graf zum Fürsten erhoben mit dem Titel "Durchlaucht". Als es dann
möglich war, begann man mit dem Eisenbahnbau. Wir Kinder lernten Bagger kennen, standen vor diesem technischen Wunder.
1925 fuhr ich erstmalig mit der Bahn bis Stolberg, musste damals um eine Karte nach Stolberg kämpfen, weil die Station
noch nicht allgemein bekannt war. Eine Aufbewahrung für Koffer gab's noch nicht; das Gepäck ging in der Übergangszeit nach
Rothleberode. Als ich in Stolberg ankam, war mein Koffer nicht da, er war nach Rothleberode gegangen. Also reklamierte ich,
dann kam der Koffer mit der nächsten Bahn nach Stolberg. Nun aber war ich nicht am Bahnhof, so ging er wieder nach
Rothleberode zurück. Da nahm sich mein Vater der Sache an, bestellte den Koffer, wir konnten ihn dann bei dem nächsten Zug
in Empfang nehmen. Da war ich recht froh, denn das Gepäck wurde damlas bestohlen, wenn nicht gar gestohlen.
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