Luyken Family Association



Family Bulletin 1973 (Volume VI)
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Ludwigshafen, 4.5.2017



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Lebensbilder der Verstorbenen


Carel Albert van Woelderen
1877 - 1951

Mit dem Begleitwort "Beitrag zum 'Ehrenbuch' von der 'anderen Page'" sandte Helene van Woelderen-Koppejan (X 161 WL EL) vor einigen Jahren dem Schriftwart einen Sonderdruck eines von ihr für die "Zeeuws Tijdschrift" (Jahrgang 1969 Nr. 6) verfaßten Artikels zu. Er galt dem Tag, an dem 50 Jahre vorher, am 1.10.1919, ihr Vater Carel Albert van Woelderen (IX 81 WL KL) Bürgermeister der niederländischen Hafenstadt Vlissingen geworden war. C. A. van W. ist mit unserer Familie zunächst einmal dadurch verbunden, daß seine Mutter Helene v. W. (VIII 43) eine Tochter von Johann Albert Luyken (VII 18), dem Begründer des Zweiges Wesel-Landfort, war. Ferner brachte C. A. v. W. der Familie Luyken familiengeschichtliches Interesse entgegen. So machte er den ersten Herausgeber der "Chronikblätter" auf eine Ähnlichkeit des Luykenschen Siegels mit dem der Familie van Rhemen aufmerksam, in welch letzterem auch drei Vögel (bei Rhemen drei Entchen) als Beizeichen vorkommen (Bd. I S: 82; im Luyken-Wappen sind es drei Tauben, vgl. Bd. II S: 32 f und "Familie Luyken" S: 8 f). Weiter ging C. A. v. W. der Frage nach, ob sich von den Vorfahren des holländischen Kupferstechers Jan Luyken eine Verbindung zu unserer Luykenfamilie nachweisen ließe (Bd. I S: 87 ff). Besonders wertvoll ist aber seine Mitarbeit an dem genealogischen Werk "256 Kwartieren en Kwartierwapens, van H. W. van Woelderen met eene Nalezing op die Kwartieren, Bronnenstudie door W. Wijnaendts van Resandt". Darin sind die Vorfahren seiner Tocher Helene bis zu 8 Generationen hinauf mit ihren Familienwappen aufgezeichnet und weitere genealogische Einzelheiten über die entsprechenden Familien enthalten (Bd. II S: 720). Dieses Buch hatte C. A. van Woelderen dem Chronisten Karl Luyken in einem Exemplar überlassen. Nach dessen Vernichtung im zweiten Weltkrieg hat die Tochter Helene dem Familienarchiv erneut ein Exemplar gestiftet.

Unter diesen Umständen und nach dem Vetter Philipp Luyken (XI 93 WA) der Schriftwart kürzlich freundlicherweise aus Übersetzungsnöten ge-





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holfen hat, erscheint es nunmehr geboten, das Lebensbild von C. A. van Woelderen in den Chronikblättern nachzuholen. Zu diesem Zweck sei der von seiner Tochter innerhalb des erwähnten Artikels kurz zusammengefaßte Lebenslauf hier wiedergegeben:

"C. A. van Woelderen wurde am 12. Juli an der Dokkade in Vlissingen geboren, demselben Kai, wo er im Jahre 1919 als Bürgermeister eine Wohnung finden sollte, was aber inzwischen beides den Werften an der Schelde hat weichen müssen. Sein Vater, Carel Louis, war einer der ersten Direktoren der Gesellschaft Zeeland, die damals mit Raddampfern nach Folkstone fuhr. Er ist in einem Artikel der englischen Zeitschrift "Mariner" von 1890 eingehend gewürdigt worden. Dieser Vater war immer C. A.s größter Freund und blieb auch nach seinem frühen Tod im Jahre 1904 sein großes Vorbild. Die Charaktere von Vater und Sohn hatten auch viel gemeinsam. Beide waren gekennzeichnet durch eine leidenschaftliche Liebe zu See und Schiffahrt sowie durch die Gabe, andere Menschen durch joviale Herzlichkeit und guten Humor froh zu stimmen, was wiederum gepaart war mit einer starken Fähigkeit, Menschen zu führen und etwas durchzusetzen, und zwar um so kräftiger, je mehr ihnen entgegengearbeitet wurde.

Carel Albert ging in Souburg in die Grundschule und später, als die Familie in der Langen Delft in Middelburg wohnte, dort in die höhere Schule. An seinem 15. Geburtstag machte er mit 250 Kandidaten das Examen für die neue Kadettenschule in Alkmaar und erhielt, wie er später oft sagte, die "Geckenzahl 11", was für ihn als einzigen Zeeländer eine hohe Punktzahl in diesem Landeswettbewerb bedeutete! Bis 1907 blieb er Artillerist, bis ein Sturz vom Pferd und ein dadurch verursachter Kniebruch dieser Tätigkeit ein Ende macht. Wie auch später öfter, weiß er sich aber sofort umzustellen, macht noch vom Krankenlager aus das Staatsexamen, übersetzt zu seinem Vergnügen Xenophons "Reitkunst", die zu seinem eigenen Erstaunen später viel verkauft wird und noch jetzt als Leitfaden für Reiter begehrt ist. Dann studiert er in Groningen Rechte und hat sich schon für September 1914 zum Doktoralexamen angemeldet, als im August der Krieg ausbricht. Seine Freunde werden eingezogen, und er selbst meldet sich, ohne sein Examen abzuwarten, als Freiwilliger. Er wird mit dem Aufbau eines internationalen geheimen Nachrichtendienstes beauftragt. Sein Tagebuch aus den Kriegsjahren ist von historischem Wert. Am 1. August 1919 wird er zum Stabs-Chef dieses Dienstes ernannt, aber noch einmal verläuft sein Lebensweg radikal anders. Denn am 1. Oktober 1919 nimmt er in seinem Geburtsort die Stellung des ersten Bürgers ein. 1926 heiratet er Cecilia Sprenger aus Middelburg. (Vermerk des Schriftwarts: Cecilia ist am 3. Februar 1890 in Middelburg geboren. Ihre Eltern sind Willem Johan Sprenger, früher Bankier und stellvertretender Bürgermeister von Middelburg, und Henriette geb. de Bruyn. Aus der Ehe von


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Carel Albert und Cecilia stammt die am 20.08.1927 in Vlissingen geborene Tochter Helene, Verfasserin des zitierten Artikels.)

Nachdem C. A. einmal Bürgermeister geworden war, blieb er fest entschlossen, sich auf kein anderes Berufsangebot mehr einzulassen. Er hat sogar in den dreißiger Jahren während seines Hafenkampfes um Vlissingen ein Ministeramt für Wasserbauangelegenheiten und im Jahre 1938 das Bürgermeisteramt von Rotterdam ausgeschlagen, weil er in Vlissingen ein Ziel vor Augen hatte, das selbst jetzt, 50 Jahre später, noch nicht einmal durch die neuesten Entwicklungen erreicht ist. Als Bürgermeister einer kleinen Stadt hat er neben diesem Beruf noch sehr viele Funktionen im Lande ausgeübt. Es besteht noch eine Liste von 34 solcher Funktionen. Ich nenne nur einige, die der Schrift "Persoonlijkheden in het Koninkrijk der Nederlanden in woord en beeld, Van Holkema en Warendorf, 1938", entnommen sind: Vorsitzender des Grünen Kreuzes (des ganzen Landes), mil. comm. des Roten Kreuzes in Zeeland, Mitglied des Kapitulantenrates, Vorsitzender der zeeländischen Tbc-Bekämpfung, Leiter des ANVV (Fremdenverkehr), Leiter der Königlichen Vereinigung für Luftfahrt. Die beiden letzteren waren Landesfunktionen. Daneben schrieb er Artikel in Zeitschriften, worüber ich (Helene) leider keine Übersicht habe und für jeden Hinweis aus dem Leserkreis dankbar wäre. Sein Hobby waren insbesondere geschichtliche Untersuchungen und Genealogie.

Im 2. Weltkrieg wurde der 1941 illegal westlicher Kommandant des O. D. (Ordnungsdienstes). In dieser Eigenschaft wurde er verraten, im April 1943 verhaftet und blieb bis Dezember 1943 im Strafgefängnis zu Scheveningen. Aus diesem wurde er, da er sich in Schweigen hüllte und man ihm nicht genug nachweisen konnte, entlassen und tauchte bis Oktober 1944 auf Noord-Beveland unter. Dann kehrte er in sein Bürgermeisteramt zurück. Im November 1944 bot man ihm noch einen hohen Posten im Stabe von General Eisenhower an. Sein damals erschöpfter Körper lies dies nicht mehr zu, und schließlich konnte er seiner Aufgabe, sein schwer getroffenes Vlissingen wiederaufzubauen, nicht untreu werden. Im Juni 1945 gab sein Herz den Kampf jedoch auf, und am 1. Juli 1945 mußte er als Bürgermeister von seinem Stadthaus an der Dokkade und von seinen Mitbürgern Abschied nehmen, mit denen er vor allem im Kriege, auf Leben und Tod verbunden war. In Wassenaar lebte er wieder auf, als er endlich an seinem alten Jugendhobby, dem Garten, arbeiten konnte. Auch gründete er noch das Zentralbüro für Genealogie in Den Haag mit und wurde dessen Erster Vorsitzender. Am 30. Januar 1951 starb er an einem Herzanfall. Seinen Plan, über seinen Kampf um den Hafen und sein Ziel für die Zukunft von Vlissingen ein Buch zu schreiben, hat er leider nicht mehr verwirklichen können."

Soweit Helenes Angaben über das Leben ihres Vaters. Ihr etwa 8 Pages umfassender Artikel befaßt sich dann noch u. a. mit Einzelheiten um die Ernennung C. A.s zum Bürgermeister von Vlissingen, wobei die Krone





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"den rechten Mann an den rechten Platz" gesetzt hatte, mit seinem Wirken für die Stadt, die Bedeutung ihres Hafens und den sogenannten "Havenstrijd", seiner Liebe zu dieser seiner Heimatstadt, der er 1926 für ihr Museum seine Münzsammlung stiftete, und schließlich zeigen einzelne geschilderte Begebenheiten aus Kriegs- und Friedenszeiten, wie Carel Albert, obgleich er in seinen Auffassungen liberal eingestellt war, dem angestammten Königshaus Treue und Anhänglichkeit bewahrt hatte.

Zum Abschluß noch einiges über Carel Alberts Angehörige: Seine Witwe Cecilia, jetzt 83jährig, lebt in s'Grevenhage (den Haag) und ebendort seine Tochter Helene, Sozialpsychologin, die mit dem Psychologen und Schriftsteller Willem A. Koppejan verheiratet ist, den wir auf dem letzten Weseler Familientag zu unserer Freude auch persönlich kennenlernen konnten. Carel Alberts Geschwister sind nach ihm gestorben: 1969 sein Bruder Robert (sein Lebensbild ist in Bd. V S. 253 wiedergegeben) und seine Schwestern Retha Lorenz und Helene Breithaupt im Jahre 1972 (ihre Nachrufe erscheinen im vorliegenden Heft).

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Emma Margaretha ("Retha") Lorenz geb. van Woelderen
1878 - 1972

Emma Margaretha (gen. Retha) van Woelderen (IX 82 WL KL) wurde am 20. Oktober 1878 in Vlissingen auf der Insel Walcheren in den Niederlanden geboren. Sie war die älteste Tochter von Carel Louis van Woelderen1), Alt-Marineoffizier und späterem Direktor der Dampfschiffahrtsgesellschaft Maatschappij Zeeland in Vlissingen, und seiner Ehefrau Caroline Emma Helene Justine geb. Luyken2), die wiederum eine Tochter des Begründers des Zweiges Wesel/Landfort, Johann Albert Luyken (VII 18), war. In Vlissingen war ein Jahr vorher auch Rethas älterer Bruder Carel Albert zur Welt gekommen. Die beiden jüngeren Geschwister Robert und Helene wurden in Oostsoeburg geboren.

Später zog die Familie aus schulischen Gründen nach Middelburg, der Hauptstadt der Provinz Zeeland, um. Dort verlebte Retha eine überaus glückliche Jugend. Nach beendeter Schulzeit verbrachte sie ein Jahr in einem Karlsruher Pensionat. Wieder nach Hause zurückgekehrt, widmete sie sich neben ihren hauswirtschaftlichen Pflichten mit großem Eifer der Malerei und Musik. Vor allem genoß sie es sehr, im Middelburger Orchester als Cellistin mitzuspielen. Zwischendurch hielt sie sich zur Vervollkommnung ihrer englischen und französischen Sprachkenntnisse monatelang in England, Belgien und Frankreich auf.

Gelegentlich eines Verwandtenbesuches in Schlesien lernte Retha


1) *  22.7.1839 zu Velp, † 17.12.1904 zu Dieren.
2) VIII 43, * 20.11.1853 auf Landfort bei Anholt, † 3.4.1945 in Iserlohn.


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den damaligen Oberleutnant Otto Lorenz3) kennen und lieben. Die Hochzeit fand am 3.4.1902 in Middelburg statt. So glücklich die Ehe auch war, fiel es Retha doch schwer, so fern der geliebten Heimat zu leben. Es war ihr daher ein Bedürfnis, mit ihren Kindern Ening (geb. 14.4.1903 zu Berlin) und Henrik (auch Henk genannt, geb. 5.1.1907 ebda.) stets holländisch zu sprechen. Sehr beglückte es sie, als später ihre inniggeliebte Schwester Helene (gen. Tin) 4)) auch nach Deutschland heiratete.

Nach wiederholtem Garnisonswechsel (Berlin, Breslau usw.) wurde Otto Lorenz nach Wolfenbüttel versetzt, wodurch Retha sich zur ihrer Freude der Heimat nähergerückt fühlte. Von Wolfenbüttel aus zog Otto im Jahre 1914 als Batteriechef ins Feld. Bereits im August des Jahres wurde er bei Lüttich schwer kriegsverwundet. Sofort nach Erhalt der Nachricht fand Retha Mittel und Wege, bis zu dem Feldlazarett, in dem ihr Mann nur notdürftig untergebracht war, vorzudringen und ihn von dort nach größten Mühen im Lastkraftwagen nach Düsseldorf zu schaffen, wo er sofort operiert wurde, da sein Leben wegen der schweren Rückgrat- und Nierenverwundung nur noch an einem seidenen Faden hing. Wegen des großen Mangels an Krankenschwestern wurde es Retha gestattet, im Düsseldorfer Krankenhaus die Pflege ihres Mannes größtenteils selbst zu übernehmen. Das wurde ihr dadurch ermöglicht, daß während ihrer Abwesenheit von daheim ihre Mutter und Schwester die Betreuung ihrer Kinder auf sich nahmen. Mitte des Jahres 1915 rückte Otto Lorenz, sozusagen vom Rollstuhl aus, wieder ins Feld, wo er bis auf eine leichte Kopfverletzung von weiteren Verwundungen verschont blieb. Nach dem Kriege wurde er in die Reichswehr übernommen, wo er nach wiederholtem Stellungs- und Garnisonswechsel bis zum Artillerieführer und Stadtkommandanten von Berlin (noch unter Hindenburg) avancierte. Da er trotz seines eisernen Willens im Jahre 1928 an den Folgen seiner schweren Kriegsverwundung zusammenbrach, mußte er seinen Abschied nehmen. Von diesem Zeitpunkt an ging es mit ihm gesundheitlich ständig abwärts, und Retha widmete sich ausschließlich der Pflege ihres Mannes, der viele Jahre lang fast nur noch im Rollstuhl fortbewegt werden konnte. Das durch nichts zu trübende Eheglück überstrahlte die schwere Krankheit. Am 5.12.1938 wurde Otto endlich von seinen Leiden erlöst5).

Die nächsten herben Schicksalsschläge trafen Retha durch den Einmarsch deutscher Truppen in ihr Heimatland im zweiten Weltkrieg und am 1. September 1941 durch den Heldentod ihres Sohnes Henk in


3) * 13.7.1873 zu Hoyerswerda (Schlesien), Sohn von Dr. jur. Heinrich Lorenz, wld. Justizrat zu Cottbus (* 18.10.1833 zu Kloster Zinna bei Jüterbog, † 15.7.1900 zu Cottbus) und Emma geb. Hönemann (* 10.10.1838 zu Jüterbog, † 26.2.1916 auf Rittergut Döbern, Niederlausitz).
4) Helene Breithaupt, siehe Lebensbild in diesem Heft.
5) vergleiche seinen Nachruf in Band II Page 627.





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es sich, daß Clara niemals in Klischees dachte, sondern sich über alles ihre eigene Meinung bildete. So schrieb sie einmal in einem Aufsatz über das Goethewort: "Der Frauen Zustand ist beklagenswert" 5) eine lange Epistel über die unterdrückte und entwürdigende Stellung der Frau. Das hatte zur Folge, daß Mutter Anna zum Direktor gebeten wurde und diesem äußerst verlegen erklären mußte, sie wisse auch nicht, wie das Clärchen auf solche Gedanken komme, zu Hause hätte sie gewiß nicht solche Beobachtungen machen können!

Ihre Jungmädchenjahre waren überschattet von der schweren, bösartigen Krankheit ihres Vaters. Lichtpunkte waren zwei Reisen in die Schweiz und nach Italien, zu denen sie von Onkel Eduard Carp und Tante Alma6) eingeladen war und von denen sie noch im späteren Alter erzählte. Im Sommer 1902 wurde sie aus der Pension in Vevey (Schweiz) zurückgerufen, um ihrer Mutter in den letzten, schweren Wochen der Leidenszeit ihres Vaters beizustehen. Nach dem so frühen Verlust des Vaters bemühte sie sich, als ältestes Kind der Mutter zu helfen. Als diese z. B. einmal über einen ihr unverständlichen, in verschnörkeltem Kaufmannsdeutsch abgefaßten Brief der Bank verzweifelt war, erklärte Clara energisch: "Ich frage einfach nach allem, was wir nicht verstehen, und schreibe genau so, wie ich spreche, das werden die dann schon verstehen!"

Im Sommer 1908 mußte Walter Luyken, ein Vetter dritten Grades7), am nahen Friedrichsfeld eine Übung als Reserveoffizier ableisten. Von seinem Vater Philipp (IX 27 WA) hatte er eine Liste aller Weseler Verwandten mitbekommen, und so begann Walter mit einem Besuch auf Ruhhof. Dort hat ihm die Tochter des Hauses gleich so großen Eindruck gemacht, daß er am nächsten Sonntag wieder erschien und ebenso am darauf folgenden. Als er abends abgefahren war, sagte Mutter Anna spöttisch: "Nun bin ich gespannt, ob der Walter am nächsten Sonntag wiederkommt oder ob er nun endlich bei den anderen Luykens Besuch macht?", worauf Clara ruhig erwiderte: "alea jacta est 8), wir sind uns einig!" Am 30. März heirateten die beiden, und aus Clara wurde, wie sie immer zu sagen pflegte: "Frau Lüüüken geb. Lücken", weil man nämlich den Namen in Düsseldorf lang und in Wesel kurz aussprach! Zu-


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nächst zog das junge Paar in Hannover-Döhren in eine Etage nahe der Wollwäscherei und Kämmerei, in der Walter Betriebsingenieur war. Dort kamen die beiden Töchter zur Welt, am 2.4.1910 Christel, die den im 2. Weltkrieg vermißten G. S. geheiratet hat, und am 17.3.1913 Gerda, jetzt die Frau von Ludwig Fickendey.

Im Mai 1914 bezogen Walter und Clara das eigene Haus Waldhausen, Brandestrasse 36, in dem sie fast 40&nbp;Jahre bis zu Walters Tode im Jahre 1952 glücklichst zusammen lebten. Der erste Weltkrieg brachte allerdings für Clara schwere Zeiten. Den Walter war während der 4 Jahre Soldat und sie mit zwei kleinen Kindern allein in der ihr noch fremden Großstadt, zumal bei der großen Hungersnot. Aber gottlob kehrte Walter gesund zurück, und als Krieg und Inflation überwunden waren, folgten schöne, ausgefüllte Jahre im gastfreien, geselligen Haus. Walter und Clara hatten einen großen Freundeskreis, der sich meist auf musikalischer Grundlage zusammengefunden hatte. Dazu kamen die vielen Luyken-Verwandten, die große Heintz-Familie (Schulte-Nachkommen 9) und Neffen, die an der Kavallerieschule waren oder an der Tierärztlichen Hochschule und im nahen Göttingen studierten. Das Haus in der Brandestrasse war für alle Treffpunkt, und der ruhende Pol darin war Clara. Sie war mit ihrer realistischen Lebenseinstellung und ihrem ausgeglichenen Wesen eine ideale Ergänzung ihres temperamentvollen, musischen Mannes. Obwohl selbst nicht sehr musikalisch, lebte sie sich ganz in diese große Passion ihres Mannes ein und förderte das musikalische Leben im Hause. Clara hatte viel vom kaufmännischen Geschick ihres Vaters geerbt, und so war sie zeit ihres Lebens "Finanzminister" in der Familie.

Auch Kummer und Schmerzen blieben ihr nicht erspart. So wurde ihr der sehnliche Wunsch nach weiteren Kindern versagt, und ihr jahrelanges Migräneleiden und die frühzeitige Starerkrankung beider Augen quälten sie sehr. Sie ertrug aber alles mit bewundernswerter Selbstdisziplin. Überhaupt war Clara eine sehr starke Persönlichkeit von großer, geistiger Lebendigkeit und Aktivität. Später erfand ihr Enkel Jan-Henrich Fickendey scherzhaft den Namen "Großmotor" statt Großmutter für sie, da sie alle an Energie überstrahlte, was übrigens für die Enkel nicht immer bequem war! Diese hingen aber alle mit großer Liebe an ihr, so wie sie viel Freude an ihnen hatte. Mit ihren Scherrer-Enkeln,


5) "Iphigenie auf Tauris", I, 1.
6) Eduard Carp, Ehemann von Anna geb. Luyken IX 14 WW, der Schwester von Claras Vater, Alma geb. Bäumer war Eduard Carp's zweite Frau (vgl. Bd. I S. 33).
7) X 56 WA, geboren am 19.8.1876. Vergleiche seinen Lebenslauf Bd. IV S. 407. Walter und Clara hatten den gemeinsamen Ururgroßvater Daniel III Luyken (VI 6).
8) "Der Würfel ist gefallen", Ausspruch Cäsars beim Übergang über den Rubikon.
9) Walters Vater Philipp war in erster Ehe mit Helene Schulte und nach deren Tod in zweiter mit deren Cousine Maria Schulte verheiratet.





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die nach dem Verlust des Vaters im zweiten Weltkrieg im Großelternhaus aufwuchsen, erlebte sie alle Schul- und Ausbildungsabschnitte noch einmal mit. So war sie stets auf dem laufenden und blieb dabei frisch und jung. In den letzten Lebensjahren machte sie mit Fickendeys manche schönen Reisen in den Harz, in die Schweiz und häufig nach Badenweiler, wo sie oft mit ihrem Mann gewesen war. Auf der letzten Reise, im September 1972, befiel sie eine plötzliche Herzschwäche. Vier Monate lag sie noch in ihrem Heim in der Brandestrasse, rührend betreut von ihrer Tochter Christel. Geduldig und dankbar, daß sie zu Hause sterben durfte, wünschte sie sich das Ende. "Einmal muß ja Schluß sein", waren ihre Worte. Ohne Schmerzen und ohne eigentliche Krankheit wurde sie immer schwächer, bis sie in den Morgenstunden des 19. Februar 1973 friedlich im Schlaf hinüberging. Ihre Urne wurde auf Ruhhof beigesetzt.

Arnold Hühn
1899 - 1973

Am 24. Dezember 1899 wurde Wilhelm Arnold Hühn (XI 70 WA KL) als Sohn des Exportkaufmanns und Hauptmann d. R. Max Heinrich Hühn1) und seiner Ehefrau Mathilde Julie Henriette geb. Luyken2) in Hamburg geboren. Er war der erste Enkel von Arnold Luyken (1842-1901) und Emma geb. Hammacher (IX 25, 1848-1927) und erhielt auch den Vornamen seines Großvaters als Rufnamen.

Arnold wuchs mit seinen beiden älteren Schwestern Olga Emma de Vivanco geb.  Hühn und Elsa Molly Eggert geb. Hühn in Hamburg-Uhlenhorst auf. Leider verlor er schon im Alter von 8 Jahren seinen Vater. Nachdem Arnold als 16 bis 18jähriger den ersten Weltkrieg als Fahnenjunker und zuletzt als Fähnrich mitgemacht hatte, konnte er


1) * 9.4.1866 in Hamburg, † 29.7.1908 ebda.
2) X&48, * 15.7.1871 in Hamburg, † 19.4.1942 ebda.


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Gerhard Sardemann
1885-1973

Am 17. März 1885 wurde Gerhard Conrad Friedrich Wilhelm Sardemann (X 139 WW II) als drittes von sechs Geschwistern in Köln geboren. Seine Eltern waren der Regierungsbaumeister Gerhard Sardemann und dessen Ehefrau Bertha geb. Luyken, die wiederum eine Enkelin von Johann Philipp Luyken, dem Begründer des Familienzweiges Wesel/Wesel II war. In Köln blieb Gerhard bis zu seinem zehnten Lebensjahr. Dann zog die Familie nach Marburg. Nach bestandener Reifeprüfung studierte Gerhard in Marburg, zwischenzeitlich auch in München und Kiel. Nach Staatsexamen und Doktorprüfung nahm er im Herbst 1913 in Berleburg eine Praxis als Landarzt auf. Von Beginn des ersten Weltkrieges an war Gerhard als Assistenzarzt der Reserve bei den Feldeisenbahntruppen auf dem westlichen Kriegsschauplatz tätig, kam dann nach dem Osten, wo er Oberarzt wurde, und wurde nach dem Friedensschluß mit Rußland als Abteilungs- und später als Regimentsarzt der Feldartillerie zugeteilt, bei der er bis zum Kriegsende blieb.

Noch vor Kriegsbeginn hatte Gerhard sich am 21. Februar 1914 mit Helene Haarbeck verheiratet 1). Nachdem der Krieg das junge Paar für fünf Jahre getrennt hatte, konnte das Zusammenleben neu beginnen. Der Schwiegervater schenkte ihnen auf der Hauptstraße in Berleburg ein Fachwerkhaus, das 1928 gegen ein festes Haus an der gleichen Straße vertauscht wurde. Der Ehe entstammten vier Kinder, die alle in Berleburg zur Welt gekommen sind: Walter, geboren am 24. April 1919, der seit 1957 die väterliche Praxis weitergeführt hat 2), I., geboren am 25. August 1921, die als medizinisch-technische Assistentin ausgebildet wurde, dann, unverheiratet, ihren Eltern den Haushalt führte und


1) vgl. zu näheren Angaben über sie ihr Lebensbild in Bd. V S: 316, wo auch ihr Bild wiedergegeben ist.
2) verh. mit H. geb. K.. 5 Kinder: W. * 1.10.1946; G. * 9.2.1948; C. * 23.11.1950; R. * 13.11.1954; G. * 22.5.1958. - G. S. wiederum ist verheiratet mit dem Rechtsreferendar R. F. (* 16.3.1948), wohnt in Berkum b. Bonn und hat einen Sohn J. F. (* 4.4.1973)


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außerdem bei ihrem Bruder als Sprechstundenhilfe tätig war; Werner, geboren am 3. September 1926, der am 31. Oktober 1944 an der Ostfront fiel (siehe Ehrenbuch); und schließlich E., die, am 31. Dezember 1932 geboren, mit dem Pfarrer G. S. in Bockum-Hövel bei Hamm verheiratet ist 3).

Seine am 24. Februar 1970 verstorbene Frau hat Gerhard Sardemann nur um wenige Jahre überlebt. Nach ihrem Tode erkrankte er an einem schweren Krebsleiden, gegen das er noch längere Zeit ankämpfte, dem er aber schließlich am 23. August 1973 erlag. War er auch in den letzten Monaten schon recht hilflos, so blieben ihm doch die befürchteten Schmerzperioden erspart, und er ist sanft heimgegangen.

Mit zunehmendem Alter hatte Gerhard seinen Lebensinhalt immer mehr darin gesucht, seine ernste Auffassung von Glauben und Christentum zu vertiefen und auch die Erkenntnisse, die ihm daraus erwuchsen, denen mitzuteilen, die zu ihm kamen. Seine religiöse Haltung und sein allgemeines Familieninteresse mögen die Verse bekunden, die er der Stammfolge der Familie Sardemann gewidmet hat:

Die Stammfolge

Die Kette ist lang, und die Kette ist schwer,
Wo geht sie hin, und wo kommt sie her? Ihr Ursprung ruhet in Gottes Hand,
Sein Wille ist's, der die Glieder verband.
Und jedes Glied, das in Liebe sich fand,
nahm auch sein Schicksal aus Gottes Hand.
Heut spricht zu Dir diese Deine Zeit:
Die Gegenwart wird auch Vergangenheit.
Heut hält, der sie prägte, Dich bei der Hand.
Vertrau ihm, der alle die Glieder verband!
Und was du erleidest zu dieser Zeit,
Es wird Dich bereiten zur Ewigkeit.


3) Die Eheleute S. haben drei Kinder angenommen: J. St. (* 6.4.1961); J. St. (* 30.6.1963); U. St. (* 16.7.1969).





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